Der Wecker klingelt. Es ist kalt. Klamm. Die Nacht war kurz und unruhig und ich bin genervt. So sehr hatte ich mich gefreut auf das Zelten mit den Hunden. Noch einmal richtig Campen vor Saisonende und das in toller Gesellschaft und mit herrlicher Aussicht. Stattdessen bellte ständig irgendwo ein Hund, ein Baby schrie und trotz guter Ausrüstung hatte ich die halbe Nacht gefroren. Die Sonne war kaum zu sehen und ich fragte mich, wie ich unter diesen Umständen beim gleich bevorstehenden Camp Canis in irgendein Gewässer springen sollte.

Dennoch – irgendwie fühlte ich mich frisch. Die Aufregung war latent zu spüren, die Vorfreude jedoch viel größer. Nach dem ersten Kaffee aus der Camping-Kaffeemaschine unseres Teammitglieds Nicole sah die Welt gleich viel freundlicher aus. Geschäftiges Treiben machte sich breit, Zissi packte neben mir ihr Hab und Gut, ich suchte zwischenzeitlich Geschirr, Leine und Zuggurt für mich und meine Hündin zusammen. Team-T-Shirt und Halsband wurden ausgepackt und in Ruhe begutachtet. In wenigen Stunden würden wir mit den anderen Mitgliedern von “Canini Matschgenuss” an den Start gehen. Nachdem ich in Laufhose und T-Shirt geschlüpft war, zog ich Amber Geschirr und Halsband an. Sie kuschelte sich an mich.

I am getting all emotional

Oh nein, schon wieder so ein emotionaler Moment. So schön fühlte sich die Vertrautheit an, das Gefühl, ihr näher zu sein als jemals vorher. In den letzten Wochen hatten wir unsere komplette Vorgeschichte umgeschrieben und eine wundervolle Zeit erlebt. War unser Verhältnis in der Vergangenheit schwierig gewesen, hatten uns die gemeinsamen Läufe und Herausforderungen, die uns Zissi zur Vorbereitung auf Camp Canis gegeben hatte, eine ganz neue Kommunikation ermöglicht. Aus vorsichtigem Eiertanz wurde unbeschwerter Spaß. Die scheue Wüstenprinzessin kam aus sich heraus, traute sich etwas, wurde ausgelassen und lustig. Ich begann, ihr zu vertrauen, mich auf sie einzulassen und erlebte eine plötzliche Zuneigung, die ich mir so niemals zugetraut hätte. Mir schossen die Tränen in die Augen.

Mädel, reiß dich zusammen! Ich schluckte, atmete tief durch, streichelte ihr über den Kopf und schaltete in den Konzentrationsmodus. Noch einmal kurz prüfen: Haben wir alles? Und dann: Los geht’s. Auf zum Event.

Vorbereitungen

Auf dem Gelände angekommen, machten wir uns auf den Weg zum Check-In. Schon hier war ich überrascht, wie ruhig die sonst so aufgeregte Amber neben mir war. Gelassen ließ sie alle Eindrücke auf sich wirken, sich abtasten um den Chip auszulesen und lief für den Vet Check, bei dem Gangbild und der Sitz des Zuggeschirrs geprüft wurden, fröhlich neben mir her.

Ganz im Gegensatz zu Buddy. Sein Geschirr hatte ich am Zelt vergessen. Vor lauter Aufregung hing er wild im Halsband und wusste gar nicht, was er zuerst begutachten sollte. Glücklicherweise hatte eine weitere Kollegin aus dem Team ein passendes Geschirr für ihn im Auto, so dass er und vor allem sein Begleiter die vielen verschiedenen Eindrücke etwas gelassener verarbeiten konnten.

Vor dem Start hatten wir noch Zeit für einen Cappuccino, dann formierte sich unser Team und wir starteten die ersten Aufwärmübungen. Langsam wurde es ernst. Buddy durfte noch eine Runde mitlaufen, war jedoch zu abgelenkt und wäre am liebsten direkt losgeschossen auf den Parcours, auf dem er ein Team nach dem anderen verschwinden sah. Kurz verpasste mir das einen Stich ins Herz und ich versprach ihm im Geiste, mit ihm im nächsten Jahr die Handicap-Runde zu laufen.

 

Anschließend war es so weit. Team Canini Matschgenuss wurde in die Startzone gerufen. Der Moderator kündigte uns an, der Startsong lief, wir sprachen uns im Team ab, welche Hunde zuerst einmal nicht nebeneinander laufen sollten und schon stürmten wir auf die Strohballen zu.

Run, baby, run

Zum Überlegen, wie wir das Hindernis in Angriff nehmen sollten, war wenig Zeit. In der Mitte des ersten Ballens gab es eine kleine Stufe, die Amber problemlos erklom. Verbunden im Zuggeschirr blieb mir nichts anderes, als ihr einfach zu folgen. Wir rannten über die nächsten Ballen und sprangen hinab, warteten an der Biegung zum Parcours auf die restlichen Teammitglieder und bogen ab in ein kleines Waldstück. Dort wartete bereits die Wasserrutsche. Zuerst versuchte ich, zu rutschen und Amber neben mir laufen zu lassen. Für diese Idee war sie jedoch nicht zu haben, schon gar nicht, da es von oben wie Regen auf uns hinab goss. So weit reichte ihre neu geschlossene Freundschaft zu Wasser noch lange nicht! Also nahm ich sie auf den Arm, wartete kurz ab, ob es für sie in Ordnung war – es war – und wir rutschen gemeinsam die Plastikplane hinunter. Die Frage, wie ich bei den Temperaturen in irgendein Gewässer springen sollte, hatte sich so bereits erledigt. Klatschnass aber glücklich liefen wir weiter. Die Sonne hatte sich nun auch erbarmt und unter ihren warmen Strahlen begannen wir unseren ersten Canicross-Lauf im Team.

Amber orientierte sich wie erwartet sofort an Rosa, mit der sie erst zwei Wochen vorher beim Dog Trekking gelaufen war und zog zuverlässig an. Ein herrliches Gefühl! In angenehmem Tempo meisterten wir die nächsten Hindernisse. An der Slackline waren die Frauchen gefordert und die Hunde durften die erste Trinkpause machen. Buddy und Begleiter warteten auf uns und verewigten unsere Glanzleistung auf Fotos und Video.

Der Parcours

Nun ging es gefühlt erst richtig los. Die Strecke war abwechslungsreich gewählt, wir liefern über Felder, Wiesen und schmale Pfade und ich war froh, dass ich beim Training immer auf verschiedenen Untergründen geübt hatte. Schnell erreichten wir die nächste Wasserrutsche, diesmal deutlich länger als die erste. Meine Teamkolleginnen hatten entsprechend auch deutlich mehr Schwung. Amber gefiel das gar nicht. Sie sprang auf der Hälfte der Rutsche von meinem Arm und ich fiel rückwärts um. Bremsen konnte ich natürlich nicht mehr. Also bremste mein nackter Rücken für mich. Auf Sand. Autsch.

Was soll’s, weiter geht’s. Erst als mich meine Teamkolleginnen auf meinen blutenden Arm hinwiesen, erzählte ich ihnen von meinem Rücken. Passenderweise wartete direkt um die nächste Ecke die erste Versorgungsstation auf uns. Kilometer fünf war geschafft. Die sehr netten Helfer wuschen mir zusammen mit Zissi den Arm und geschundenen Rücken sauber und versorgten mich mit Desinfektionstüchern und Pflastern – an dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank dafür!

Alle Hindernisse möchte ich hier nicht verraten, denn ich persönlich finde, dass genau das einer der großen Reize des Laufes ist. An jeder Ecke wartet eine neue Herausforderung, die gemeinsam mit Hund gemeistert werden will. Möchte der einmal nicht, so geht er eben außen herum. Oder wird getragen.

Amber wollte. Und wie! An jedem Hindernis zog mein sonst so umsichtiges Mädchen noch einmal an, konnte es kaum abwarten, dran zu sein, probierte die verschiedensten Lösungsansätze, beobachtete die anderen ganz genau.

Be creative!

Besonders in Erinnerung geblieben sind mir zwei Aufgaben, bei denen sie mich auf völlig unterschiedliche Weise überrascht hat: Einmal die “Fernbeziehung”, ein separat eingezäunter Parcours, durch den der Hund laufen sollte, während wir von außen den Weg vorgaben. Obwohl sie genau beobachtet hatte, was die anderen taten, schien ihr das keinen Sinn zu machen. Also kehrte sie schnurstracks auf eigenem Absatz um und quetschte ihren schmalen Windhundmixkörper zwischen Tür und Zaun auf die andere Seite in die Freiheit. Fast hätte ich sie für so viel Kreativität aus der Aufgabe entlassen, wir haben es aber doch noch ein zweites Mal versucht und erfolgreich zu Ende gebracht.

Die zweite Aufgabe bestand darin, sich an einem Seil den Hang hinauf zu ziehen und an der anderen Seite wieder hinunter zu lassen. Idealerweise sollte der Hund dabei nicht vorweg preschen und den Besitzer hinter sich her ziehen, sondern rücksichtsvoll und brav Schritt für Schritt den Abhang hinunter klettern. Nie werde ich den Anblick vergessen, wie sich Amber auf mein “Warte” hin elegant wie eine Prinzessin absetze, ihre Nase in den Wind streckte und geduldig abwartete, bis ich ungelenk die ersten Schritte hinunter getan hatte. Sobald ich sie heran holte, rutschte sie nach, setze sich wieder ab und wartete, bis ich endlich unten angekommen war. Den leicht abfälligen Blick habe ich mir bestimmt nur eingebildet. Die geschmolzenen Herzen der Helfer an der dort aufgebauten Versorgungsstation konnte ich anschließend jedoch zusammen mit meinem eigenen einzeln vom Boden aufsammeln.

Den Schmelzmoment gebrochen hat schließlich der Sohn einer Helferin, der mich im Brustton der Überzeugung fragte, warum ich eigentlich so dreckig sei während er mir mein Wasser reichte.

Und wie fühlt es sich nun an?

Das Event selbst war einfach unglaublich. Es hat mir rundherum Spaß gemacht. Wir waren ein tolles Team, hatten eine wundervolle Zeit mit Zissis Mannschaft aus dem Samstagslauf und tolle Begleiter. Von diesem Wochenende werde ich bestimmt noch eine ganze Weile zehren. Amber hat sich vom “unsere Situation hat sich verbessert”-Hund zum Herzenshund gemausert, so dass sich nun beide Rabauken gleichwertige Anteile meines Herzens teilen. Wir sind befreit unterwegs, und das Gefühl, dass wir gemeinsam alles meistern können, kann uns keiner mehr nehmen.

Das Laufen mag ich nicht mehr wegdenken aus meinem Leben. Viel zu wichtig ist es mir geworden, als Kommunikationsmittel zu Amber, als Ventil für Stress und schlechte Laune, als Barometer für meinen eigenen Körper. Ab nächster Woche gibt es einen neuen Vorsatz und Trainingsplan: 10 km unter einer Stunde.

Ein ganz besonderer Dank geht jedoch an meine liebe Zissi und ihre tolle Rosa: Auch wenn du es nie hören willst, du hast mit einem simplen Satz und einem kleinen Tritt in den Allerwertesten mein ganzes Leben verändert. Dafür bin ich dir unendlich dankbar. Noch viel dankbarer bin ich aber, dass ich dich jetzt zu meinen Freundinnen zählen darf.

Lasst es euch gut gehen!

Sie

P.S.: Auf keinen Fall vergessen wollen wir bei unseren Danksagungen an dieser Stelle Buddys Begleiter, der fast genauso viel Körpereinsatz gezeigt hat wie das Team selbst um uns mit tollen Fotos zu versorgen! Tausend Dank! You rock!

 

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