Sie ist nicht gut drauf. Ich kann es spüren. Obwohl wir heute morgen alle Beide mit ihr gekuschelt haben, lacht sie nicht. Als wir aufgestanden und Richtung Haustür gelaufen sind, waren wir ihr zu wild. Es war früh am Morgen und besonders Amber schien sich heute auf unseren Ausflug zu freuen und war übermäßig aufgeregt. Sie dagegen, sie war nicht einmal besonders müde, aber dennoch so langsam. Irgendwie beschwert. Trotzdem zog sie sich und uns an und ging mit uns zum Auto. Es war kalt, kleine Eiskristalle hatten sich auf den Scheiben gebildet. Sie fluchte nicht einmal. Packte uns in den Kofferraum, schaltete die Heizung an und fing an, die Scheiben zu befreien. Ich machte mir Sorgen. Sie schien so traurig, so ratlos.

Ziellos fuhren wir ein wenig herum. Sie wollte hinaus aus dem Tal, dem Sonnenaufgang entgegen. Oben auf dem Hügel war die Sonne gut zu sehen. Der Himmel war in pink-orangenes Licht getaucht, einige wenige Bäume zauberten Schatten in die Landschaft. Raureif lag über den Feldern. Auch der Mond stand noch am Himmel. Sie parkte das Gefährt. Als sie die Tür öffnete, konnte ich meine Vorfreude nicht zügeln und bellte laut. Sie hatte es nicht erwartet und erschrak. Auch das kannte ich nicht von ihr. Ich bin doch immer aufgeregt. Sie schimpfte kurz und heftig. Dennoch stieg sie aus, zog uns die langen Leinen an und lief mit uns los. Sie ließ sich nicht anstecken von unserer Begeisterung über den neuen Weg, war nicht zu begeistern für einen kleinen Sprint. Die Sonne schien mit aller Kraft, dennoch war es, als würde das Licht einfach von ihr abprallen. Nicht durchkommen bis zu ihrem Herzen. Chrome plated heart. Sie lächelte nicht. Schoß ein, zwei Fotos. War unzufrieden mit unserer Leistung. Wir verunsichert. Sie sprach mit heiterer Stimme. Wir jedoch hatten sie durchschaut. Was war denn bloß los?

Gestern hatte sie nachgedacht über das Glück. Auf dem Weg nach Hause im Auto mit einer Kollegin darüber gesprochen. Warum konnte sie kein Glück mehr spüren? Sie wusste, wie Glück sich anfühlte. Leicht, unbeschwert, sorglos, kribbelig wie Brause. Sie dagegen fühlte sich schwer, wie begraben unter Steinen, voller Gedanken. Aber warum? Normalerweise genügten Kleinigkeiten, sie zum Jauchzen zu bringen. Sie strahlen zu lassen vor Glück. Momentan gibt es bei  uns viele große Dinge, die erfolgreich laufen. Emails mit kleinen Anerkennungen, Freunde, die von nah und fern an uns denken, endlich Frühlingsbeginn und zu guter Letzt: Wir als Team entwickeln uns weiter. Sie jedoch – sie kann sie nicht spüren, die Leichtigkeit, die Freude. Sie ist dankbar, sie weiß, dass sie zufrieden sein kann, aber das überschwängliche Glück, das Tanzen, das ausgelassen albern sein? Stellt sich nicht ein. Der Mund verzieht sich manchmal zu einem Lächeln, das jedoch nicht bis zu den Augen reicht.

Ich habe sie das Eat Pray Love-Buch in die Hand nehmen sehen. Ich weiß, dass sie dann an die Szene denken muss, in der die Hauptdarstellerin realisiert, dass sie nicht das Leben lebt, das sie leben möchte. Aber das ist doch bei uns nicht so. Oder? Was wäre, wenn die Veränderung, die sie in Angriff genommen hat, nicht genug ist? Wenn sie doch etwas ganz anderes möchte und es nicht reicht, mehr Zeit mit uns und für draußen zu haben. Aber wenn das so ist, warum formt sich dann kein Traum? Keine Idee? Sie weiß doch sonst genau, was sie will. Müsste dann nicht irgendwo im Hinterkopf eine kleine, wilde Idee schwirren, sie nicht in Ruhe lassen, immer und immer wieder stacheln?

Sie grübelt und grübelt. Dass das meist nicht weiter hilft, weiß sie auch. Dennoch kann sie nicht aufhören. Überlegt sich, vielleicht ein Abenteuer anzugehen. Abwechslung in den Alltag zu bringen. Kratzt damit am Thema. Irgendwie. Vielleicht sind wir einfach nicht gemacht für Routine-Abläufe. Vielleicht brauchen wir ständig neue Impulse, um uns wohl zu fühlen? Früher schon war ihr sehr schnell langweilig. Sie verbrachte viel Zeit mit anderen Menschen, war viel draussen. Heute ist das nicht mehr so, häufig ist sie nach der Arbeit viel zu müde. Aber vielleicht ist das etwas, das fehlt? Sie macht sich eine Liste. Überlegt sich, einfach festzuhalten, was sie glücklich macht, egal ob winzig klein oder groß, ob Traum oder Alltägliches.

Die Gedanken der Anderen zu diesem Thema beschäftigen sie ebenfalls. Übersieht sie all die kleinen Glücksmomente, die über den Tag verteilt passieren? Nein, eigentlich nicht. Möglicherweise jedoch gehen sie unausgekostet vorbei. Vielleicht nimmt sie sich zu wenig Zeit, die Momente zu genießen. Sacken zu lassen bis ins Herz, damit sie sich dort festbrennen und nachglühen. Ihr fällt die 100 Days of Happiness Challenge ein, die ihre Kollegin damals mitgemacht hat. Jeden Tag den Moment in einem Foto festhalten, der dich heute besonders glücklich gemacht hat. Das schult das Bewusstsein. Und ergibt eine Kette von Glück. 100 Tage scheinen lang, aber dennoch – einen Versuch ist es wert.

Am Wochenende treffen wir uns spontan mit Freunden. Gehen raus zusammen. Wandern. Geocachen. Wieder einen neuen Weg entdecken. Die Sonne strahlt, ab und an dürfen wir sogar kurz im Wasser toben. Das gemeinsame unterwegs sein macht sie glücklich. Uns sowieso. Im Auto auf dem Weg nach Hause merkt sie jedoch bereits, wie die kleine graue Wolke wieder über ihr klebt und ihr die Laune vermiest. Noch ist das ganze nicht ausgestanden, so leicht war es also nicht. Sie zwingt sich weg von Social Media, lenkt die Aufmerksamkeit in ein Buch. Schläft früh ein und träumt. Von der Vergangenheit, von Zeiten, in denen sie sprudelndes Glück empfand, sich selbst leicht und fröhlich fühlte und andere damit ansteckte. Der Traum wühlte weitere Themen auf. Sie vermisste die Zeit schmerzlich, noch immer war ihr nicht klar, weshalb heute alles so anders war.

Dann gingen wir wieder wandern. Wie von allein ergab sich ein Gespräch mit der lieben Begleitung. Unverhofft. Von weitem eingekreist, kamen plötzlich tief versteckte Dinge zum Vorschein. Dinge, die eigentlich belanglos in der Ecke lagen. Dachte sie. Die anscheinend dennoch irgendwie störten. Die – plötzlich entrümpelt – wahrscheinlich doch einiges an Bewegung verursachen würden. Damit also schon wieder Mut brauchen. Mut, der Kraft erfordert. Veränderungen, die noch mehr Glatteis mit sich bringen werden. Wieder mit Schlittschuhen unterwegs in die Unsicherheit. Ins Ungewisse. Auf ungesicherten Wegen. Noch zögert sie. Vielleicht, weil sie nun schon ein paar Mal ausgerutscht und auf der Nase gelandet ist. Früher war ihr das egal, war sie überzeugt von etwas, zog sie es durch im Vertrauen darauf, dass sich schon ein Weg fände. Auf dem Weg ist das Vertrauen verloren gegangen. Genauso wie ihre Sicherheit. Dennoch spürt sie Erleichterung. Darüber, zugeben zu können, dass sie überfordert ist mit all dem, was sie mühevoll um sich herum gestapelt hat. Aber auch darüber, sich langsam einzugestehen, dass einige der Stapel an Priorität verloren haben. Genauso ausgemistet gehören, wie es andere Dinge längst wurden. Denk an KonMari – weg mit dem, was dich nicht mehr glücklich macht. Verständlich, dass du zweimal überlegst, ob du dich für den Service bedanken möchtest und ab damit in den Müll, wenn es ans Eingemachte geht. Lass dir Zeit. Lauf dir klare Gedanken. Wir sind dabei. Und deine Freunde ebenso. Wir laufen mit dir, solange du willst.

Was für ein unglaubliches Glück!

Kisses, Buddy

6 Replies to “Auf der Suche nach Glück oder Tame birds sing of freedom, wild birds skate on ice”

  1. Sehr schön geschrieben. Manchmal wächst Stärke aus Schwächen und Unsicherheit. Und – es braucht Zeit. Nimm sie dir! Wir sind für euch da, wann immer es nötig ist. ?

  2. Ich wünschte, ich könnte dich einmal fest drücken!
    Und ich hoffe, der beschwerende Auslöser kommt bald aus seinem Versteck und zeigt sich. ?
    Viel Glück für euch, wir denken an euch!
    Herzliche Grüße
    Stephie mit Enki und Luns

    1. Vielen lieben Dank – Drücker ist angekommen. Und die 100 Days of Happiness-Challenge zeigt schon Wirkung, bin heute schon angesprochen worden, dass ich ganz glücklich und entspannt aussehe 🙂

  3. Ich hab ein wenig Pipi in den Augen… Ich weiß wie du dich fühlst. Mir ging es so als ich mit der Physio angefangen habe. Alle strahlten mich an und waren begeistert über den Mut das zu tun.
    Ich stand plötzlich da, war dabei mir meinen großen Traum zu erfüllen und spürte nur eine wahnsinnige Last auf den Schultern, ich konnte kaum schlafen und hatte riesige Angst. Damals wusste ich auch nicht wirklich warum. Heute denke ich, es war die Angst es nicht zu schaffen, es nicht gut genug zu machen. Was dann? Dann wäre mein Traum gescheitert und ich wusste nicht was dann mein Ziel gewesen wäre.
    Fühl dich Mal ganz fest gedrückt. Und wenn du noch mehr lesen möchtest: Why not von Lars Amend 🙂

    1. Lieben Dank. Auch wenn es kein schönes Thema ist, freue ich mich immer, wenn ich nicht alleine mit solchen Dingen da stehe, sondern andere auch solche Erfahrungen gemacht und dann vielleicht einen Tipp für mich haben. Vor allem, weil es für viele nicht nachvollziehbar ist. Sie erhoffen sich dann eine Erklärung, die ich selbst nicht geben kann. Das Buch werde ich mir gleich anschauen. So ganz durch bin ich nämlich mit dem Thema noch nicht. Vielen Dank für die Empfehlung und liebe Grüße von uns!

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