Sie öffnet die Haustür, lugt nach links und rechts. Vor der Tür warten die ersten Patienten auf den Arzt gegenüber. Sie hält uns an kurzer Leine. Während sie die Tür abschließt, kommt am Hauseingang der erste Hund vorbei. Wauz, wauz, wauz, da ist einer. Sie seufzt. Ihr Kopf pocht. Zumindest war der angeleint. Sie grüßt freundlich. Keine Reaktion. Wieder seufzt sie. Die Patienten schauen verdutzt. Ihre Stimmung neigt sich schon jetzt Richtung Keller, dennoch machen sie sich auf den Weg. Hinaus aus dem Hauseingang, schwungvoll nach links, kommt der nächste Hund auf sie zu. Amber wird merklich unruhig, sie grummelt leicht. Na gut, das Dreiergespann dreht sich einmal um die eigene Achse, das war nicht der Weg, den wir geplant hatten, aber noch ist nichts verloren. Das Pochen im Kopf wird stärker. Sie versucht, die Schultern zu entspannen, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr sie der Lärm und der Trubel vor der eigenen Haustür nerven. Piep piep piep piep piep piep piep! Alle drei zucken zusammen. Das Müllauto! Sie hatte es in der Eile, dem zweiten Hund auszuweichen, übersehen. Langsam schleicht es sich rückwärts aus der schmalen Sackgasse, jeder Piep der Rückfahrwarnanlage ein weiterer Hammerschlag auf ihren sowieso schon schmerzenden Schädel. Sie möchte sich verkriechen, weiß nicht, wohin, weiß jedoch, dass sie sich zusammen reißen muß. Der kleine Hund ist noch immer hinter ihnen. Würde sie sich jetzt gehen lassen, jetzt Schwäche zeigen, würden ihre beiden Rabauken wieder übernehmen, den kleinen Kerl verbellen, der nur seine morgendliche Zeitungsrunde im Kopf hatte. Sie atmet durch, biegt ab in Richtung Damm. Kurz müssen sie an der Straße warten. Das Müllauto dröhnt an ihnen vorbei. Ein zweiter LKW versperrt ihnen mit laufendem Motor den Weg.
Du bist schon ganz gestresst und dir dröhnt jetzt schon der Schädel? Dann komm lieber weg von der Haus- und stattdessen mit auf unsere Lieblingsmorgenrunde, auf die wir euch im Rahmen der Blogparade “What’s your story, morning glory?” von The Pell-Mell Pack mitnehmen wollen:
Morgens, 6.00 Uhr. Der Wecker klingelt. Auf dem Display erscheint die Frage, die sie sich als Motivation eingespeichert hat: “Gehen wir zum Sonnenaufgang?” Als Motivation deshalb, weil es nicht einfach ist, aufzustehen, wenn sich pünktlich zum Weckerklingeln zwei Rabauken mit schläfrigen Augen zu dir ins Bett kuscheln wollen. Wie groß ist die Versuchung, dem Antrag nachzugeben, sich noch einmal zurück in die warmen Federn zu drehen. Dennoch – der Gedanke an die Freude in den Augen der Beiden lässt sie die Decke heben. Aufstehen, eine kurze Einheit Yoga und ab in die Wanderschuhe. Freudig stupsen die Rabauken ihre Nasen an die an der Garderobe hängenden Leinen und Geschirre. Sie zieht sie an, packt das Handy für Notfälle in die Tasche und schon fällt die Tür ins Schloss. Vor der Haustür herrscht himmlische Ruhe. Um diese Uhrzeit sind die Praxen noch geschlossen und die meisten Menschen stehen unter der Dusche oder gönnen sich den ersten Kaffee. Entspannt verlassen sie die kleine Sackgasse, überqueren die Hauptstraße und laufen an dem kleinen Bächlein entlang in Richtung Wald. Die Hunde können ihr Glück kaum fassen und sind ein wenig aufgeregt. Sanft hält sie sie zurück, dämmt ihre Vorfreude noch ein wenig. An der Mauer der alten Villa haben sich Eiskristalle gebildet.
Der Frühling lässt in diesem Jahr lange auf sich warten. Das Wasser im kleinen Bach gluckert und plätschert leise, als sie auf den matschigen Pfad abbiegt, quietschen ihre Sohlen auf dem weichen Boden. Die Hundepfoten hinter ihr sind lautlos. Am Hang angekommen folgt immer das gleiche Ritual: Beide Hunde setzen sich ab. Die Leinen werden gelöst. Amber lässt es sich nicht nehmen, wie wild den Hang hinauf zu rennen. Kurz regt sie sich auf. Schimpft mit ihr. Muss dennoch gleichzeitig lachen über das schnelle Tier mit staksigen Beinen, der es immer wieder gelingt, den gemütlich neben ihr trottenden Buddy zur wilden Jagd zu animieren. Dennoch sortiert sie die Hunde. Ihr ist nach Ruhe. Zu dritt laufen sie den schmalen, moosbedeckten Pfad hinauf. Das geschäftige Treiben der Hauptstraße wird hier bereits verschluckt, sie atmet tief durch und das holzige Bouquet aus Tannennadeln, Blättern und Sägespänen ein, das nach den Aufräumarbeiten durch den Wald zieht. Ihr Schritt wird langsamer, die Hunde hetzen nicht mehr nach vorne, die Nasen richten sich gen Boden, auch ihr Gang wird gemächlicher. Millimeter für Millimeter wird nun erkundet. Sie genießt den Augenblick, lässt ihren Blick nach kurzer Zeit schweifen über die Wipfel der Bäume im Tal, über die Hauptstrasse und Gebäude, die immer einmal wieder vereinzelt durch die Stämme scheinen. Die ersten Vögel zwitschern und lassen sich nicht beirren von Kälte und weiterem Schnee in ihrem Ruf nach Frühling.
Kurz vor der kleinen Wiese entdeckt sie etwas neues. Ein Fuchs, in einen der Baumstämme geritzt. So häufig war sie schon hier, dennoch, er war ihr noch nie aufgefallen. Sie zückt das Handy, um diesen Anblick als Erinnerung an einen so schönen Morgen festzuhalten. Als sie das Telefon wieder verstaut, realisiert sie, dass sie sich keinen Moment Gedanken gemacht hat um Wildschweine, Rehe oder den Jagdtrieb der schönen Prinzessin. Sie lächelt über den Vertrauensvorschuss – vor Kurzem wäre dies noch nicht möglich gewesen.
Gemeinsam laufen sie den Rand der kleinen Wiese entlang. Sie weiß, wie sehr die Prinzessin diesen Abenteuerspielplatz liebt. Ursprünglich war dies der Weg zur großen Runde gewesen. Vom Sturm Friederike zerstört, versperren hier noch immer mehrere Bäume den Weg. An ein Durchkommen ist nicht zu denken – zumindest nicht für den Zweibeiner im Dreiergespann. Für die beiden Rabauken ist dies jedoch der spannendeste Teil. Sie springen über Stock und Stein, reiben sich an in den Himmel ragenden Ästen und erkunden die an jeder Ecke zum Vorschein gekommenen Krater, in denen einst die dicken Wurzeln der Bäume verankert waren.
Den kleinen Hügel zu ihrem Lieblingsteil der Runde hinauf leint sie die Prinzessin lieber an. Dort waren schon das ein oder andere Mal Rehe aus dem Dickicht gesprungen. Das wiederum kann die Prinzessin schlecht einfach so im Raum stehen lassen. Buddy hingegen, ihn bringt das nicht aus der Ruhe. Mehr als den Bruchteil einer Aufmerksamkeitssekunde gebührt den staksigen Teilen nicht, wundert er sich doch eher, weshalb die hübsche Freundin so aufgeregt ist, sobald Bambi auf der Wiese erscheint.
Zu guter Letzt – das Finale. Wenn sie das Haus rechtzeitig verlassen, genügt am Ende des kleinen Waldstücks ein Blick nach links für den wunderbarsten Sonnenaufgang. Schweigend stapfen sie über die kleine Straße auf die Felder, den Blick in Ehrfurcht auf das Farbenspiel des Himmels gerichtet. Sie weiß: Heute kann nicht mehr viel passieren.
Glücklich lächelnd machen sie sich auf den Rückweg ins Tal, an der Schule vorbei, zurück in die kleine Sackgasse. Vor der Tür stehen die ersten Patienten. Sie grüßt freundlich. Die Patienten lächeln und grüßen zurück. Am Hauseingang kommt der erste Hund vorbei. Wauz wauz wauz! Sie lächelt, streicht den Rabauken über den Kopf und geht ins Haus.
Lasst es euch gut gehen!
Sie
Die Lieblings-Morgenrunde liest sich sehr schön – da vergisst man zum GLück die stressige Einleitung. Ich muss zugeben, ich bin am liebsten auch sehr früh unterwegs – wenn alles noch so menschenleer und unberührt wirkt und die Hunde und ich den beginnenden Tag wirklich Sonnenaufgänge sind dabei auch mein Lieblingsmoment … aber bei uns dauert es noch etwas, bis ich die sehe – besonders wenn jetzt die Zeitumstellung kommt.
Liebe Grüße,
Isabella mit Cara und Shadow
Genau so ist es bei uns auch – die Lieblingsrunde lässt uns allen Stress vergessen. Ob es wirklich noch der Sonnenaufgang wird, wenn der Sommer kommt, weiß ich aber auch noch nicht sicher ?. Wir wünschen euch viele entspannte Spaziergänge! Kerstin mit Buddy und Amber
Und ich sehe, WordPress hat mal wieder einen Kommentar von mir verschluckt…
Vielen Dank, dass Du uns auf diese dann doch wunderbare Morgenrunde mitgenommen hast.
Ich wünschte, mir würde das frühe Aufstehen auch nur etwas leichter fallen. Aber irgendwie bekomme ich meinen inneren Schweinehund nicht in den Griff, der laut “nur noch kurz gemeinsam kuscheln” schreit. 😉
Herzliche Grüße
Stephie mit Enki und Luna
Ja, den hat er tatsächlich geschluckt. Das frühe Aufstehen war eigentlich auch nie meins. Der Stress vor der Tür ab einer gewissen Uhrzeit hat nun jedoch den gleichen Effekt wie das Geräusch eines sich übergebenden Hundes – schnell raus aus dem Bett! PS: Das Kuscheln haben wir jetzt auf danach verschoben 🙂