Anfang des Jahres wurde es Zeit für gravierende Veränderungen. Das gesamte Mensch-Hund-Team schwächelte, Rückenschmerzen und chronische Krankheiten hatten sich bei uns allen breit gemacht. Dazu ein verdoppelter Arbeitsweg und halbierte gemeinsame Zeit – so konnte und sollte es nicht weiter gehen.
Ein mutiger Schritt war notwendig, das Haushaltsbuch wurde gezückt und Teilzeit eingereicht. Die Arbeitszeit reduziert. Gleichzeitig der Fokus geschoben auf Gesundheitsmanagement. Im ganzen Team.
“Weniger” wurde der Fokus. Weniger Stress, weniger Termine, weniger Besitz, weniger Wuseln, weniger Orientierungslosigkeit, Vergessen und Durcheinander. Heute, ein knappes halbes Jahr später, wird es Zeit für ein Resümee. Was hat uns geholfen? Wo gibt es noch Baustellen? Wie haben sich die Veränderungen auf unser Team ausgewirkt?
Weniger Stress
Irgendwie hatte ich erwartet, dass nach Reduktion der Arbeitszeit der Stress quasi von mir abfällt. Alles wie von alleine geht. Natürlich war das nicht der Fall. Zuerst einmal ist der Druck gewichen. Bereits eine riesige Erleichterung. Seit gefühlt ewigen Zeiten konnte ich das erste Mal nach dem Büro zuhause ankommen und einfach einen Kaffee trinken, bevor ich weiter gemacht habe. Auch morgens ist der Zeitdruck entfallen. Noch immer beginnt der Tag um 6 Uhr. Dennoch, nun haben wir mehr Zeit. Zeit für uns, Zeit für Yoga, Zeit für den Wald oder einfach einmal ausgiebiges Kuscheln. Frühstück gibt es in aller Ruhe, die Katzen dürfen eine Weile raus und an ganz guten Tagen genieße ich meinen Morgenkaffee sogar auf der Terrasse. Ziemlich nah an meiner Idealvorstellung vom perfekten Start in den Tag.
Besonders deutlich hat sich der wegfallende Druck jedoch auf unseren Spaziergängen bemerkbar gemacht. Unter Zeitdruck bin ich eine Bombe kurz vor der Explosion. Gepaart mit zusätzlichem Stress durch – nennen wir es ein erhöhtes Hundeaufkommen – könnt ihr euch wahrscheinlich vorstellen, was passiert ist. Immer und immer wieder. BOOM! Umso überraschter war ich, als ich auf einem Spaziergang festgestellt habe, dass ich gar keine Bauchschmerzen mehr habe. Die ganze Anspannung schon so in Normalität übergegangen, fiel es mir erst auf als es fehlte. Bye bye, you won’t be missed!
Schon mal in der Achtsamkeit angekommen, habe ich die Rabauken einfach gelassen. Entschleunigt haben sie mich von ganz alleine. Immer und immer wieder etwas Spannendes gefunden am Boden, am Zaun, im Gras, das es zu erschnüffeln gab. Entspannt durch meine Entspannung entfällt heute immer häufiger der Grund, die Welt zu kontrollieren. Gemeinsam haben wir sie eingetauscht, die Kontrolle, wir nehmen stattdessen Vertrauen. Versuchen es zumindest. Vertrauen darauf, dass wir eine Situation schon regeln werden als Team. Wenn sie denn kommt. Sind draussen, weil wir draussen sein möchten. Konzentrieren uns lieber aufs Jetzt. Aufs Hier. Auf das, was direkt vor uns liegt.
Formel Eins
Immer funktioniert das für mich nicht. Zu sehr gehetzt und getaktet habe ich die letzten Jahre funktioniert. Rennwagen. Eine kleines Steinchen am Weg reicht aus, um uns schnell ins Schleudern zu bringen. Das gesamte Team. Noch neigen wir sehr dazu, immer wieder in alte Muster zu fallen. Viele Boxenstopps sind nötig. Ganz schön anstrengend für den alten Boliden, permanent umgebaut und angepasst zu werden. Da kracht und scheppert die Karrosserie, Sand knirscht im Getriebe, Neues und Altes passt nicht zusammen. Racing Car wehrt sich dagegen, ausgebremst zu werden. Hält nichts von der Entdeckung der Langsamkeit. Sobald es kann, galoppiert es mit all seinen Pferdestärken los. Und Buddy gleich mit. Die Erschöpfung lässt nicht lange auf sich warten.
Babysteps
Dennoch, zurück auf den Weg finden wir schnell. Hat es sich doch bereits nachhaltig eingeprägt, wie gut es tut, einfach mal ein wenig langsamer zu tun. Früher verband ich das mit Schwäche. Tat es ab. In Ruhe? Pah! Was soll das schon! Das brauchen doch nur Langweiler! Energie auffüllen? Für was denn? Die ziehe ich aus den immer und immer wieder neuen Ideen und Einfällen, schleife alle um mich herum mit, wer nicht mithalten kann hat Pech. Dismissed. Next!
Wie schön, zu sehen, dass sich viel mehr sehen lässt so neu aufgetankt mit Energie! Seit drei Jahren wohne ich bereits hier und erst seit Kurzem nehme ich die kleinen Details der Umgebung war. Schön bepflanzte Gärten, liebevoll gestaltete Dekorationen und nette Menschen. Fast macht sich so etwas wie Gelassenheit breit. Nimmt mir gleichzeitig auch den bisher vorhandenen Zeitdruck. Nicht mehr alles muss sofort passieren. Wir haben doch Zeit. Aus Hetze wird Bewusstsein. Achtsamkeit. Genießen. Bewusst sein fordert aber auch Pausen. Tankstopps. Immer wieder. Kleine über den Tag verteilt. Große an manchen Tagen.
Und die Rabauken?
Auch den beiden Rüben tut die Entschleunigung gut. Deutlich vermehrt haben sich die morgendlichen Ausflüge in den Wald anstelle nur einer kurzen Runde. Damit wir nicht immer die gleichen Strecken gehen, probieren wir wieder und wieder neue Wege und Wanderungen. Glück haben wir da mit unserer Umgebung, das Bergische Land bietet tausende verschiedene Möglichkeiten.
Die schönste Belohnung ist jedoch das Verhältnis der Beiden untereinander. Früher, im Wüstenstaat, hatten sie nur sich. Sie haben zusammen gespielt, gekuschelt, kommuniziert. Während der HuTa-Zeit schob sich dort einiges. Der schönen Prinzessin war der fußkranke Labrador zu langsam, zu langweilig, zu Labrador. Riesig waren die Optionen, andere Spielpartner zu finden, die viel besser flitzen konnten. Schier unerschöpflich die Aufgabe, das Rudel im Griff zu halten. Glück pur. Der Labrador allerdings schoß abends häufig aus der Abholschleuse wie eine Rakete und raste sich in waghalsigen Manövern den Stress aus dem Leib. Kein schöner Anblick. Kein schöner Zustand.
Zum ersten Mal aufgefallen sind mir die kleinen Veränderungen dann bei unserem Wochenendausflug nach Domburg. Auf einmal war alles synchron, die Blicke anders, das Spielen intensiver. Wie früher. Vor allem Buddy traut sich mehr. Fordert mehr. Fordert auf. Prinzessin Ambrosia Eliza ist nicht mehr ganz so erhaben. Lässt sich einwickeln von seinem Charme, sich mitreissen dazu, die Uniform mal abzulegen und einfach Spaß zu haben.
Und das ist es doch im Endeffekt, was wir nicht aus den Augen lassen sollten.
So dankbar bin ich, dass mich hier zwei immer wieder daran erinnern. Dass sie mit mir ausgraben, was ich die letzten Jahre unter To Dos verschüttet, vergraben und dann so vermisst habe – die Leichtigkeit, das Glück, das Lachen. Dass sie mir nichts nachtragen. Sondern froh scheinen darüber, dass ich es endlich verstanden habe.
Lasst es euch gut gehen
Sie