Im letzten Jahr gab es in der Beziehung zwischen ihr und mir ein Upgrade. Relationship Pro Version sozusagen. Auf einmal bekam ich ein schickeres Geschirr, durfte sogar auf die Hundemesse im Ort, um es anzuprobieren. Probierte mich durch Hundesmoothies, Leckerli und Rinderkopfhaut, bevor ich von Freunden zum Playdate mit meinem heimlichen Prinzen abgeholt wurde.

Hund im Zuggeschirr

Dann nahm sie mich morgens mit in den coolen Wald, der zu dem man fahren muss, zu Unuhrzeiten in aller Herrgottsfrühe, bevor es zu warm wurde. Wir rasten und flitzen, tobten durch Matsch und Schlamm, wanderten durch die Eifel, rockten Camp Canis. Im Urlaub stand sie früh mit mir auf, wir stylten uns für die Aussenwelt – nur ich durfte das tolle Geschirr tragen, für den Labrador gab es keins. Wir joggten zum Bäcker, das Meer versteckt hinter Dünen zur Linken, die Heidelandschaft zur Rechten, wundervoll.

Hund vor Bäckerei

Wieder zuhause angekommen krochen Herbst und frühe Dunkelheit aus allen Ecken. Ich ließ sie nicht zur Ruhe kommen, fiel sie in die Faulheit, jagte ich morgens übermütig durch den Wald. Hasen? Rehe? Wenn du nicht mit mir rennst, suche ich mir jemanden zum Rennen! Sie verstand schnell. Click, treat. Braves Mädchen.

Doch alleine im Wald? Nein, mutig sind wir zwar, aber ein bisschen Angst haben wir hin und wieder auch. Vor allem sie. Vor allem vor Wildschweinen. Also überwand sie sich. Stellte sich einer Laufgruppe. Nur für mich. Auf einmal liefen wir nicht mehr morgens, auf einmal liefen wir abends. Vorher fuhren wir aber zum Treffpunkt. Und was soll ich sagen? Hallelujah! Lauter Zughunde warteten auf mich. Zuerst waren sie ein wenig arrogant, sahen sie doch alle völlig anders aus als ich. Nordische Hunde. Ich warf meinen Kopf zurück, fiel mühelos ein in ihren aufgeregten Gesang, betörte sie in ihrer Sprache. Danke, heimlicher Prinz, fürs Beibringen. Dafür gibt es beim nächsten Date eine Extraohrenreinigung.

Einmal in der Gruppe aufgenommen, konnte ich endlich zeigen, was ich drauf habe. Kurze Strecken, Flitzetempo, schneller, schneller, schneller, bis ihre Lungen pfeifen. Herrlich.

Ein bisschen piekste es schon hier und da. Aber psst, das lasse ich mir doch nicht anmerken! Hallo? Ich bin schließlich ein Windhund. Schäferhund-Beckenstand? Schäferhund-Bemuskelung? Psst. Unter den Teppich damit.

Eines schönen Tages dann das Highlight – Gitter aus dem Auto, Rückbank umgeklappt, Laken als Unterlage und dann! Tatsächlich! Das Fahrrad! Nur sie und ich und mein fancy Geschirr. Wir fuhren zum tollen Wald, sie spannte mich ein und dann – endlich durfte ich laufen, so schnell ich wollte. Yeah! Geschwindigkeitsrausch! Zumindest kurz. Sehr kurz. So kurz wie die kurzen Flitzestrecken im Canicross. Aber es ging einfach nicht mehr.

Hund im Zuggeschirr vor Fahrrad

Sie lobte mich, brachte mich zurück zum Auto, hatte mir sogar den Bademantel und ein paar Leckerli mitgebracht. Dennoch merkte ich, dass sie sich Sorgen machte.

Zuhause bekam ich eine Massage. Normalerweise ist das dem Labrador vorbehalten. Nicht, dass ich etwas dagegen hätte, aber komisch war das schon.

Die nächsten Läufe liefen ähnlich. Ich flippte aus, sobald sie das fancy Geschirr vom Haken nahm, mit Begeisterung lief ich los, drei-, vielleicht vierhundert Meter, dann nur noch Trab. Blöde Schäferhundknochen, was soll das? Wie soll ich meinen Windhundgalopp laufen, wenn ihr euch da quer verdreht und blockiert? Aua.

Zuerst dachte sie, der Labrador, der bei den kurzen Strecken auf einmal wieder mit laufen durfte, bremste mich aus. So nahe die Vermutung auch liegt, ich gestehe, diesmal war das nicht der Fall. Pünktlich zu Kilometer Drei fing ich an zu humpeln. Die Leine war schon vorher nicht mehr gespannt, schon lange vorher lief ich nicht mehr im Zug. Aua.

Kaum hatte sie den Zug gelöst, ging es schon wieder ein wenig besser. Glücklich war sie darüber trotzdem nicht. Aber wie es der Zufall so will, besuchte sie genau zu diesem Zeitpunkt ihre erste Weiterbildung zur Sporthundephysiotherapeutin und lernte eine phänomenale Dozentin kennen. Sie erzählte von mir. Natürlich. Verständlich, dass sie auch an einem Wochenende ohne mich an nichts anderes denken kann.

Sie einigten sich auf ein Treffen. Ich sollte die Sportphysio kennenlernen. Und so machten wir uns auf zu einem Miniroadtrip. Nur sie und ich. Ohne den Labrador. Ein Geheimnis verrate ich euch, aber nur, wenn ihr versprecht, es keinem weiter zu sagen: Ohne ihn bin ich manchmal ganz schön aufgeschmissen. Fremde Fachwerkorte machen mir dann ein wenig Angst, ich werde nervös und bevor seine Hibbelenergie sinnlos ungenutzt zuhause versauert, nehme ich sie einfach mit.

Zuerst war die Sportphysio ein wenig irritiert über mein Auftreten, durchschaute mich aber schnell. Gruselig. Eine volle Stunde lang nahm sie sich Schäferhundknochen für Schäferhundknochen vor, massierte, überprüfte, löste, entspannte. Ich kann euch sagen, ich war vielleicht fertig danach! Kaum konnte ich meine Augen noch offen halten, mein ganzer Körper fühlte sich wackelig an, gleichzeitig war ich aber beschwingt und so frei.

Wir fuhren nach Hause, ich schlief, in ihrem Kopf flitzten die Hausaufgaben mit den Gesprächsfetzen und Sorgen im fancy Geschirr durch Matsch und Schlamm um die Wette. Hinterhand dehnen, Schulterpartie frei halten, Cavaletti-Training, Hockertraining, Clicker-Training, das wird euer Durchbruch oder eine Katastrophe, es ist gar nicht so leicht, den eigenen Hund zu behandeln, sechs Monate Pause, wenn sie weiter so läuft, läuft sie in zwei Jahren gar nicht mehr, genetisches Päckchen zu tragen. Puh. Gut, dass ich mir diese Gedanken nicht machen musste.

Nun macht euch aber mal nicht zu viele Sorgen um mich, I’m fine. Das fancy Geschirr muss erstmal am Haken bleiben, laufen gehen wir aber trotzdem noch. Für mein eigenes Tempo gibt sie mir solange erst einmal eine Schleppleine (bevor ich doch noch ein Reh oder einen Hasen finde).

Weil sie sich so schön bemüht mit dem Training und immer so liebevoll die Cavaletti aufbaut, kann ich sie schlecht hängen lassen. Irgendwo habe ich ja doch ein Herz auch für sie irgendwie. Deshalb mache ich fleißig mit. Die Kamera läuft auch dabei, so dass ich sicher sein kann, dass meine Schönheit und Grazie auch für andere festgehalten werden.

Eine Rennmaschine werde ich nicht mehr werden. Mit vier weinenden Augen verabschieden wir uns langsam von der Zughundekarriere, die gerade erst so richtig begonnen hatte für uns. Dennoch – ganz hängen wir das fancy Geschirr noch nicht an den Nagel. Werden Frühjahr und den Sommer nutzen für gemeinsame Physiotherapie, geben nicht auf. Wir haben jetzt schließlich die Pro Version.

Zwei Fun-Events wollen wir noch laufen am Jahresende. Als Belohnung schweben sie am Horizont. Danach? Läuft sie mich in Rente. Oder wir hiken. Oder wir finden eine andere Lösung. Pro Version, ihr wisst schon. Wir schaffen das!

Kisses for me,

Amber

2 Replies to “Genetisches Päckchen oder Wenn die Wüstenrakete Physiotherapie braucht”

  1. Das ist natürlich nicht schön – aber wichtig ist doch, dass man auch ohne eine sportliche Karriere so viele tolle Dinge machen kann … Hauptsache ist doch, ihr fühlt euch damit wohl und Deine Knochen auch.

    Liebe Grüße,
    Isabella mit Cara und Shadow

    1. Hallo ihr Lieben, zum einen habt ihr natürlich recht, das ist auf jeden Fall das Wichtigste, dass man nicht aus den Augen verliert, was man noch für tolle Dinge tun kann. Andererseits ist der Sport für uns ja ein tolles Hobby geworden, welches einen großen Anteil unserer Freizeit einnimmt. Dabei geht es gar nicht um Höchstleistungen, wir üben es nur einfach gerne aus. Und das wird uns trotzdem ein wenig fehlen. Dennoch – die Knochen haben natürlich Vorrang! Liebe Grüße an euch! Kerstin mit Buddy und Amber

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