Vielleicht lag es an der Kürze der Zeit. Vielleicht haben wir zu wenig gesehen, uns zu wenig mit dem Land beschäftigt. Zumindest habe ich steif und fest behauptet, dass Dänemark kein Land sei, in das ich alleine fahren würde. Obwohl es mir gut gefallen hatte, Anfang des Jahres, als wir schon einmal da waren.
Als langsam klar wurde, dass wir unseren geplanten Baltikum-Roadtrip noch einmal verschieben würden und stattdessen Dänemark als Option auftauchte, bin ich es etwas anders angegangen. Diesmal würden wir länger da sein, hätten mehr Zeit. Ich überlegte mir genau, was ich gerne machen würde. Nicht im Sinne von Reiseführer lesen und vorplanen – das ist nicht meins, nein, eher eine Liste à la “Was würde den Urlaub wundervoll machen?”. Neben meiner üblichen Träume wie ein Ausritt am Strand oder Yoga zum Sonnenaufgang am Meer wollte ich ein wenig Abenteuer und Roadtripgefühl auch in die Alternative bringen.
Erzwungene Entspannung
Das Wetter und vor allem der Wind kickten die beiden ursprünglichen Wünsche mit Wucht von der Liste. Gleichzeitig machten sie mir den Aufschub des Baltikum-Traums deutlich leichter. Ständig sah ich mich vor meinem geistigen Auge im klatschnassen Zelt oder klammen Auto liegen, während Sturm und Regen draußen alles gaben. Da war das kleine Backsteinhäuschen mit Reetdach und Kamin, eingebettet in grasbewachsenen Dünen, die deutlich angenehmere Alternative. In einer solchen Umgebung bekommen selbst Windböen von 60 km/h einen gemütlichen Beigeschmack.
Zeigte sich die Sonne, stieg ich sofort in meine Laufklamotten, packte Amber ins Geschirr und wir liefen eine Runde. Einfach herrlich, Canicross im Sonnenschein auf einem schmalem Pfad durch die Heide, auf dem Weg zum Meer, links und rechts weitläufig verstreut kleine Häuschen. Ein tolles Gefühl, gemeinsam mit ihr die Düne zu erklimmen, um dann von einer unglaublichen Aussicht aufs Meer belohnt zu werden. Alternativ erkundeten wir die Gegend auf dem Wanderweg von Sondervig nach Hvide Sande, der nahe unserer Unterkunft vorbei führte. Kamen Regen und Wind zurück, ging es sofort wieder ins Haus, wir machten es uns auf dem Sofa bequem, ich kam endlich dazu, einige meiner vielen Hundebücher in Ruhe zu lesen. Wir genossen Kaffee und Erdbeerkuchen oder eines der vielen leckeren Gebäckstücke mit Zimt.
Zeig mir mehr von dir
So vergingen die ersten Tage wie im Flug. Die meisten Orte unseres Urlaubs Anfang des Jahres hatten wir ein zweites Mal besucht. Etwas Neues musste her. Blavand. Ich hatte gelesen, dass es dort einen wundervollen Strand gäbe. Die in Dänemark fast überall an der Küste übrig gebliebenen Bunker hatte der Künstler Bill Woodrow dort in aufs Meer blickende Maultiere verwandelt. Auch das Städtchen sollte schön sein. Ignoriert hatte ich dabei, dass ich die Empfehlung auf einem Blog für Familien mit kleinen Kindern gelesen hatte. Das Städtchen war schön, allerdings hätte ich mit meinen beiden aufgeregten Rabauken dort nicht entlang flanieren können. Es war viel los, Scharen von Touristen schoben sich die Einkaufsstraße entlang und genossen die Sonne auf den Terrassen diverser Restaurants. Wir beschlossen daher, direkt an den Strand zu fahren. Obwohl dort auch einiges los war, war es wunderschön und entspannt, da der Strand breit genug war, um sich im Zweifelsfall respektvollen Abstand zu gewähren. Der Anblick der Maultiere war beeindruckend und so ließen wir uns ausreichend Zeit, sie vor der Kulisse von Lenkdrachen, spielenden Hunden und Sandburgen bauenden Familien auf uns wirken zu lassen. Auf dem Rückweg kauften wir beim örtlichen Bäcker eines der besten Zimtstücke, das ich im ganzen Urlaub gegessen hatte. Da ich nicht fahren musste, ließ ich die Landschaft an mir vorbei ziehen, nahm die unterschiedlichsten Dinge auf und stellte mir die verschiedensten Fragen: Warum wusste ich nichts über das dänische Königshaus? Warum wurde der königliche Forst ausgeschildert? Warum wusste ich nicht einmal wirklich etwas über die Bedeutung Dänemarks im Krieg? Über Landminen, Bunker, die Befreiung? Wie so häufig auf Reisen beschloss ich, mir noch einiges anzulesen und mich damit zu beschäftigen.
Eine fixe Idee
Am Abend war ich noch immer völlig angetan von der anderen Seite Dänemarks, die ich heute zu Gesicht bekommen hatte. Wälder, Landschaften, die mich an meine bayerische Heimat erinnerten, dann wieder Meer und breiter Sandstrand, Kunst und kleine Ortschaften, Mühlen, Antiquitätenhändler. Es gab noch so viel mehr zu entdecken.
Die dänisch-schwedische Serie, die wir abends im Fernsehen schauten, tat ihr übriges. Ich erzählte der Reisebegleitung von meinem Wunsch, den nördlichsten Punkt zu sehen, der Punkt, an dem die Meere zusammen fließen. An einem solchen Ort war ich bereits einmal vorher in meinem Leben, in Südafrika, gewesen, und er hat mich bis heute nachhaltig beeindruckt. Für einen Tagesausflug in Dänemark jedoch eigentlich ein verrücktes Unterfangen – 400 Kilometer Fahrt, nur um Grenen zu erreichen. Eigentlich. Denn die Reisebegleitung hatte auch einen Wunsch, einen Ort, den er schon immer sehen wollte. Rubjerg Knude. Eine Wanderdüne. Dort gibt es einen Leuchtturm, der ursprünglich mit vier Nebengebäuden errichtet wurde. Durch die Wanderdüne sind von diesen schon nur noch Ruinen übrig. Der Leuchtturm aber steht. Noch. Denn mehrere Meter der Steilküste brechen jedes Jahr. Lang wird es nicht mehr dauern, bis der Turm mit in den Abgrund gerissen und zerstört werden wird.
Doch noch ein Roadtrip
Das klang spannend und wir beschlossen, den langen Weg auf uns zu nehmen. Auch das Wetter sollte uns für den nächsten Morgen in die Karten spielen. So stellten wir uns ausnahmsweise Wecker und verließen früh das Haus. Einen Teil der Strecke kannten wir bereits aus unserem letzten Urlaub und dem Ausflug in den Wald. Anschließend ging es jedoch das ein oder andere Mal auch durch eine größere Stadt, sowie weiter ins Landesinnere, über Autobahn und Schnellstraßen, so dass sich noch einmal ein ganz anderes Bild des Landes formte. Ich mag das. Weg vom nur ruhigen Urlaubsgefühl, genieße ich es, auch einmal größere Städte, normalen Alltag, Supermärkte und ähnliches zu sehen.
Gegen Mittag hatten wir unser erstes Ziel erreicht. Wir parkten das Auto auf dem Hof des Strandaufsehers und machten uns auf dem Weg zum Kirchgarten. Schon von weitem zeichneten sich die Dünen ab, ganz anders als an unserem Strand waren sie nicht bewachsen und erinnerten mich an die Dünen von Katar. Die Aufregung der beiden Rabauken ließ vermuten, dass ich da nicht die einzige war. Wir erklommen eine nach der anderen in der Hoffnung, von dort aus an den Strand zu gelangen und an den Leuchtturm laufen zu können. Schnell stellten wir jedoch fest, was eigentlich logisch war: Steilküste bedeutet eben auch Steilküste. An ein Durch- oder besser Herunterkommen an den Strand war nicht zu denken. Dennoch genossen wir die Gegend, sogen die Sonne auf, schossen ein Foto nach dem anderen, vergaßen die Zeit. Erst als die Rabauken ein Kommando missverstanden und trotz Schleppleine die Chance auf wildes Rumgeflitze nutzen, bevor einer von uns auch nur “Stopp” sagen konnte, brachen wir zum Auto auf und beschlossen, einen weiteren Parkplatz näher am Leuchtturm zu suchen.
Den fanden wir auch schnell, standen doch bereits einige Autos dort. Als wir ausstiegen, wurde es mir kurz mulmig. Hunde über Hunde und ein ca. 2 km langer Marsch zum Turm auf einem etwa vier Meter breiten Sandweg. Die Neugier auf den Leuchtturm siegte jedoch sofort und so machten wir uns auf den Weg nach oben. Schnell hatte die Prinzessin auch verstanden, dass hier keiner ihrem Polizeigetue Beachtung schenkt und beruhigte sich einigermaßen. Oben angekommen staunten wir nicht schlecht über die Schönheit der Landschaft, den Leuchtturm, die Ruinen und die Gewalt der Natur, die sich so gar nicht nach von Menschenhand Erbautem richtet.
Ab in den Norden
Noch völlig begeistert von den Eindrücken am Leuchtturm ging es weiter in Richtung Skagen. Kurz vor Sonnenuntergang sollten wir den nördlichsten Punkt des Landes erreichen. Grenen, dort wo Nordsee und Kattegat, das Meer zwischen Jütland und Schweden, zusammen fließen. Hier war am Parkplatz deutlich weniger los. In wundervollem Licht spazierten wir zu der kleinen Sandzunge, an der sich die Meere treffen, wo die unterschiedliche Kraft der Wellen Muster formt. Stundenlang hätte ich dort stehen und den Anblick genießen können. Klein und unbedeutend fühlte ich mich auf der einen Seite, unglaublich stolz und erfüllt vom Glück auf der anderen. Was die Rabauken schon gesehen hatten! Wie weit waren wir gereist, wer hätte gedacht, dass der kleine, vom Auto erfasste Labradorwelpe und der ausgesetzte Salukimix einmal gemeinsam mit mir an solchen Punkten der Erde stehen sollten. Es blieb mir gar nichts anderes, als ein wenig herum zu springen vor Freude.
Ins Herz geschlichen
Erfüllt davon spazierten wir zurück in Richtung Auto, genossen die letzten Sonnenstrahlen, sinnierten über die Schiffe am Horizont, brachten der Wüstenprinzessin das Graben bei, begleitet vom sanften Rauschen der Wellen. Genauso erfüllt machten wir uns auf den Rückweg, von Skagen, das uns mit pink-goldenem Sonnenuntergang verabschiedete, zurück auf den Fjord in unser Häuschen. Auch hier hatte ich unglaubliches Glück, dass die Reisebegleitung gar kein Problem mit Fahren hat, ich selbst wäre viel zu müde gewesen, den langen Weg noch auf mich zu nehmen.
Spätestens an diesem Tag war es passiert. Langsam aber sicher hatte sich Dänemark einen festen Platz in meinem Herzen erschlichen. Hatte mich fasziniert, überrascht, verzaubert, sich offen von verschiedensten Seiten gezeigt, mich verwöhnt mit den unterschiedlichsten Köstlichkeiten, kurz und gut: Mich einfach um den Finger gewickelt. Und heute? Heute kann ich gut verstehen, weshalb manche hier ihr zweites Zuhause finden. Und wer weiß, vielleicht packe auch ich eines Tages alleine das Auto für einen spontanen Ausflug ans Meer, zu Softeis, Hotdogs und Dünen, sollte die Sehnsucht danach zu groß werden.
Laßt es euch gut gehen,
Sie
PS: An dieser Stelle wieder einmal danke an meine Reisebegleitung für wunderschöne Fotos und Kilometer um Kilometer, den ich nicht selbst fahren musste!