Es ist spät, bereits dunkel und es regnet. Die ersten Runden mit Ben und Amber habe ich hinter mich gebracht. Du lagst auf dem Sofa und wartetest bis zum Schluss. Ungewöhnlich, möchtest du doch sonst immer zusammen mit der schönen Wüstenprinzessin hinaus.

Trotz des Windes ist es warm, erste Frühlingsvorboten in der abendlichen Winterluft. Daher lasse ich deinen Mantel zuhause. Auch wenn du ihn immer brav anziehst, weiß ich, eigentlich magst du ihn nicht.

Kein Fluss von Tränen

Wir gehen los auf die übliche kurze Runde. In meinen Kopfhörern beginnen leise die Klänge von “River of Tears”. Nein, lächle ich, kein Fluss von Tränen. Uns geht es gut. Dir geht es gut. Vor ein paar Wochen sah das anders aus. Dein Körper hat nicht mitgemacht, hat dich gequält. Dir war schlecht, du hast gewürgt. Dich permanet übergeben. Wir haben dich auf links gedreht. Ohne Ergebnis. Nichts in deinem Körper, was erklären könnte, warum du dich fühlst, wie du dich fühlst. Ich habe mir Gedanken gemacht, ob der Kleene dir zu viel ist. Dich geschont. Du frisst unglaublich teures Antiallergiefutter. Keine Leckerli mehr. Es bricht mir das Herz, jedes Mal.

Kaum starteten wir den Spaziergang, blühtest du auf. Ranntest herum. Warfst die holzigen Beine in die Luft. Also nahm ich dich mit zum Joggen. Wieder mit auf größere Runden. Gab dir den Joghurt-Becher zum Auslecken, auch wenn du danach keuchtest. Gab dir die Entensticks, die ich auf der Hundemesse gekauft hatte. Dein Gesicht strahlte. Du liefst mehr als Amber. Wechseltest vom Trab in den Galopp, sobald ein Mensch am Horizont sichtbar wurde.

Leben fürs Draußen

Wie naiv ich doch war! Du bist wie ich. Nicht gemacht fürs Zuhause und ruhig sein, du lebst fürs Draußen, fürs Entdecken, für die Natur. Du zeigst allen, dass es anders geht, brichst die Regeln, die sie dir aufgrund deines Körpers und deines Alters auferlegen, und entfachst aus den Bruchstücken ein Feuerwerk.

Ich entscheide, dich heute entscheiden zu lassen. An der Kreuzung, die auf der üblichen Runde schnell nach Hause führt, biegst du in die andere Richtung. Die Hunde, die uns entgegen kommen, beäugst du neugierig und gehst dann schnell weiter. Noch immer bist du der einzige, der Hundebegegnungen entspannt angeht.

Im orangenen Laternenlicht laufen wir am kleinen Häuschen vorbei, das wie Holland aussieht. Wir gehen durch das Sandsteintor. Ich weiß, was du vorhast. Mittlerweile regnet es stark. Es macht dir nichts aus, du genießt. Jeden Grashalm schnüffelst du an, jede Ecke.

Musik, die keiner hören kann

Ich lasse mich von deiner Ruhe anstecken, genieße die Musik, die außer mir keiner hören kann.

Schaue dir zu, wie du überlegst, selbst jetzt im kleinen Flüsschen schwimmen zu gehen. Denke darüber nach, was wir schon alles gemeinsam erlebt haben. Was wir bald wieder zusammen erleben werden. Freue mich drauf. Fühle mich frei.

Und falls, falls es kein Morgen mehr geben sollte für uns beide, dann sollst du wissen, das so alles in Ordnung ist für mich. Dass wir das beste daraus gemacht haben, ich keinen Moment missen möchte. Nichts mehr offen ist auf meiner Liste mit dir, auch wenn die Zeit, die wir gemeinsam verbringen, niemals nie genug sein kann.

Noch ein bisschen Tanzen

An der Ecke zum Sandsteintor biegst du noch einmal ab. Willst noch nicht nach Hause. Ich sehe, dass du die Zeit genauso genießt. Endlos laufen könntest. Neue Wege hast du schon immer gefunden für uns. Und so soll es auch bleiben.

Lass uns das Leben rocken, solange wir es können!

Lasst es euch gut gehen!

Kerstin mit Buddy, Amber und Ben

 

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