Vor drei Jahren auf dem Roadtrip durch Ungarn, da war es plötzlich da: Dieses Kindheitssommergefühl, nackte Füße auf warmen Beton, das Eis in der Hand, das über die Finger tropft. Sommerkleid, braune Haut, ein Hauch von Sonnenmilch, Gedanken im Hier und Jetzt, Leichtigkeit.

So flüchtig wie dieser Moment war auch das Gefühl. Es blieb nur eine dumpfe Sehnsucht, verborgen unter einem riesigen Berg selbst auferlegter Pflichten.

In den Jahren dazwischen existierte Sommer nur in meiner Erinnerung. Führte ich die Hunde spazieren und hörte andere Menschen auf den Balkonen gemeinsam grillen, überfiel mich erzwungene Einsamkeit. Einfach machen hatte sich gewandelt ihn rastlos tun.

Langsam, mit jedem Wochenende, an dem die anderen feierten, setzte sich der Gedanke immer fester in meinen Kopf, dass mir das wohl nicht gegönnt sei. Dass ich mich abfinden müsste mit Wochenenden auf der Couch mit den Hunden, ohne andere Menschen. Fix und fertig trotz endloser Disziplin mit meinen Listen.

Fotocredit: Sandra Hofbeck

Später

Später, später würde es anders werden. Später würde es ein Social Life geben. Später würde sich der Sommer wieder leicht anfühlen.

Im letzten Jahr dann die Erschöpfung. Fix und fertig gestaltete ich nichts aktiv, versuchte nur, mich irgendwie zu erholen. Watte im Kopf ließ alles verschwimmen, der Sommer war vorbei bevor ich ihn überhaupt wahrgenommen hatte. Erst, als sich die Wattewolke ein wenig lichtete, wurde klar, dass ich To Do-Listen besiegen konnte, so viel ich auch wollte. Was fehlte in all der Disziplin, war das Loslassen, Lockerlassen, Fünfe gerade sein. Spaß haben? Ich hatte tatsächlich verlernt, wie das eigentlich geht. Ohne meine Listen war ich hilflos, wusste nichts mehr anzufangen mit meiner Zeit.

Eine heftige Erkenntnis. Kleine Lichtblicke brachten die Ausflüge mit den Räubern. Bens Aufmerksamkeit, die nur bei mir blieb, wenn ich auch wirklich und echt und mit Begeisterung bei der Sache war. Aber sonst? Sollte ich wählen zwischen einem weiteren To Do oder etwas Zeit für mich, war klar, wohin die Reise ging. Für mich – was hieß das überhaupt?

Fotocredit: Sandra Hofbeck

Zwangserholung und alte Denke auf neuen Wegen

Ich versuchte es mit Zwang. “Du machst jetzt nichts am Wochenende.” Verbot mir selbst die kreativen Bastelarbeiten für die Praxis an freien Tagen. Frei ist frei. Es half – ihr ahnt es schon – nichts. Null. Nada. Weil ich nämlich plötzlich keine Lust auf nichts mehr hatte. Mich nicht mehr aufraffen konnte zu Dingen, die mir sonst Spaß gemacht hatten. Wandern, Entdecken, Reisen, all das schien so weit weg seit Corona. Nach solchen Wochenenden war ich nur noch frustriert.

Also zurück in die alten Muster. Bis ich falsche Daten auf meine Belege schrieb. Meinen Autoschlüssel stecken ließ und ihn verzweifelt suchte. Stopp! So geht das nicht! Ich setzte mich an mein Visionboard. Sammelte Schnipsel, klebte, eigentlich mit dem Sinn, meinen Fokus fürs Unternehmen noch einmal zu definieren. Was vor meinen Augen entstand, überraschte mich selbst: “Du darfst dir erlauben, Pausen zu machen. Reisen bringt uns zurück zu uns selbst. Du kannst nicht alles auf einmal tun.” All das stand da in dicken Lettern vor mir, gepaart mit Sehnsuchts-Roadtrip-Bildern. Der Gedanke an meine verpasste Auszeit kam wieder hoch und trieb mir die Tränen in die Augen. Warum hatte ich ihn eigentlich nicht jetzt gemacht, den Roadtrip? Wo war sie, die Pause, die ich mir gegönnt hatte nach über 20 Jahren im Konzern und meinem mutigen Schritt in Richtung Praxisgründung?

Ehrlich? Nicht einmal in den Sinn gekommen war sie mir! Vor lauter Schritten auf dem neuen Weg hatte ich komplett übersehen, dass es auch noch andere Möglichkeiten gab, als im neuen Leben weiter zu rennen. Schön, dass ich mich aufs alte Denken überall verlassen kann.

An der Zeit

Dieses Jahr, als die ersten Sonnenstrahlen kamen, zog ich sie einfach an, die kurzen Shorts. Beschloss, dass es an der Zeit sei, sich keine Gedanken mehr darüber zu machen, ob ich sie tragen könne, sondern stattdessen das wunderbare Gefühl von sommerwarmem Wind auf nackten Beinen spüren zu können.

Dieses Jahr, als die Einladung zur Hundepoolparty kam, zog ich ihn einfach an, den Bikini. Beschloss, dass es an der Zeit sei, sich keine Gedanken mehr darüber zu machen, ob ich ihn tragen könne, sondern stattdessen das wunderbare Gefühl von Sonne auf dem Rücken, meinem Seniorhund mit mir ihm Pool, anschließendem Eis und Kaffee mit lieben Menschen zu genießen. Wahrzunehmen, wie wertvoll es ist, dass da gerade jemand sitzt, der mitfühlen kann, wie die Emotionen durcheinander wirbeln, wenn der Herzenshund strahlt vor Lebensfreude, gleichzeitig sein Pippi aber nicht mehr kontrollieren kann. Dich damit hält in deiner Angst vor dem, was da unaufhaltsam näher kommt.

Dieses Jahr, als ich die anderen mit ihren Minivans los fahren sah, baute ich es einfach, das Bett. Buchte ich ihn einfach, den Stellplatz. Beschloss, dass es an der Zeit sei, sich keine Gedanken mehr darüber zu machen, was ich stattdessen erledigen oder wem ich damit vor den Kopf stoßen könnte, sondern stattdessen das wunderbare Gefühl der Vorfreude auf ein Wochenende voller Einsamkeit, Ruhe und Entspannung mit meinen Rabauken zu genießen.

Dieses Jahr, als ich spontan gefragt wurde, ob ich noch Essen in die Praxis bestellen möchte, sagte ich einfach ja. Beschloss, dass es an der Zeit sei, den Fokus auf mein Wohlergehen und die wunderbaren Menschen um mich herum zu legen.

Hoher Besuch

Und dann, auf der späten Abendrunde, kurz vor dem Sommergewitter, war sie da, die Leichtigkeit. Schien mir entgegen und wärmte mein Herz, zusammen mit Dankbarkeit für meinen Mut, die Schritte getan zu haben, die ich die letzten zwei Jahre gegangen bin. Ich blickte hinab auf meine Hündin, die neben mir lief, glücklich darüber, dass sie eine entspannte Runde mit mir alleine gehen durfte. Mein Herz hüpfte in Vorfreude auf die Auszeit, mit der ich sie morgen überraschen würde. Sie liebt das Abenteuer. Einfach am Caddy zu liegen, sich die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen, abends selig zu schlummern voll mit Eindrücken dessen, was am Tag alles an uns vorbei gezogen war.

Der Sommer wird es nicht mehr sein. Statt einer verschwommenen Erinnerung ist er heute einfach da. Leicht und einfach, mit Sonne, Eis und nackten Füßen auf warmem Boden.

Genießt ihn, so gut ihr könnt.

Lasst es euch gut gehen.

Kerstin mit Buddy, Amber und Ben

2 Replies to “Kindheitssommersehnsucht oder The time is now”

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