Tag 6 und selbst dafür musste ich zählen. 

Du bist nicht da, das, wovor ich solche Angst hatte, ist letzte Woche passiert. Letzte Woche bist du nicht mehr aufgestanden, hast dich nicht mehr erholt, warst zu müde um weiterzugehen.

„Das Leben ist immer für dich.“

– wie sehr habe ich diesen Spruch verachtet in den letzten Wochen, als Indy aus der Toskana kam mit Würmern, Zwingerhusten und Ansteckung und der Juli zusätzlich alles gegeben hat, um mir meine Auszeit aus der Physiotherapie und damit freien Stunden für Abenteuer, Entdeckungen und Erziehung zu verregnen. Wie dankbar bin ich heute dafür, hat es doch dazu geführt, dass wir hier waren, zusammen, präsent, ich mich kümmern konnte um dich, dir Physio geben, wenn du es gebraucht und angefordert hast, wir einfach eine intensive Zeit zusammen verbrachten.

Wie sehr habe ich gehadert, ob ich wirklich fahren sollte zu Zissi, die mir ein Shooting angeboten hatte mit allen Vieren, lag doch ihr Zuhause null auf der Route, dich ich mir eigentlich ausgesucht hatte für unseren Roadtrip, unsere Minireise, meinen verzweifelten Versuch, dieses Jahr doch etwas Urlaub und Erholung zu bekommen. 

„Was soll’s, ich lass mich einfach darauf ein.“

entschied ich dann und fuhr doch zu ihr. Was für ein Glück. Was für ein Geschenk. 

Am Tag vor der geplanten Abreise stellte ich in Buddys Husten ein zusätzliches Geräusch fest. Schon eine Weile war er heftiger geworden, bei ständigem Wetterwechsel aber auch eigentlich keine Überraschung. Dennoch wünschte ich mir Stabilität für ihn, keine Schwächung mehr durch das ständige Auf und Ab. Ich besuchte meine Tierärztin und wir entschieden uns für eine Schmerztherapie. 

Am Abreisetag war der Husten dauerpräsent. Obwohl ich Packen und Auto beladen schon entzerrt hatte, stresste das Gewusel Buddy sehr und ich verbrachte viel Zeit damit, ihn zu beruhigen, zu kraulen, bei ihm zu sein. 

„Es kann sein, dass unser Shooting ein Regenbogen-Shooting wird“

sagte ich noch in einer Sprachnachricht zu Zissi. Dabei gab es eigentlich noch keine Anzeichen, außer eben dem dämlichen Husten. 

Viel später als eigentlich geplant machten wir uns auf den Weg. Angekommen auf Zissis Hof stürmten die Hunde aus dem Auto, begrüßten sich, tobten durch den Garten.

Indy wähnte sich im Paradies und wusste gar nicht, wie ihm geschieht. Buddy war natürlich nicht mehr schnell, aber seine Freude und Begeisterung waren nicht zu übersehen.

Was ich am meisten liebe, wenn wir zu Zissi nach Hause kommen? Sie sieht alle Hunde, nimmt sie wahr, begrüßt sie einzeln, sieht jeden Charakter. Für Buddy ist das essentiell, seine Liebe für den Menschen war immer unendlich und häufig hat mir das Herz ein wenig gekracht, wenn ich gesehen habe, wie er seine Liebe verteilt und unser Gegenüber nur die jungen Hüpfer wahrnimmt, kein Auge dafür hat, was diese braunen Senioraugen zu geben haben, wie viel Jungspund, Schelm und Liebe in diesem knarzenden Seniorenkörper gefangen sind. 

Den Rest des Abends verbrachten wir mit Kaffee und Pizza, während Buddy sich ein Sitzbad in genau dem Teich gönnte, den er schon bei unserem ersten Besuch voller Freude eingeweiht hatte. Anschließend genoss er die Abendsonne im Garten.

Marmeladenglasmomente und schlaflose Nächte

Mein Marmeladenglasmoment: Als ich mich in Richtung meines Caddys bewegte, versammelten sich die Rabauken um mich herum. Auf einmal lag auch Buddy bei mir, der sich gerade noch auf der andere Seite des Gartens erholt hatte. Das Leben mit einem Seniorhund trägt immer auch einen Schleier der Schwere, Sorge und Angst, so dass solche Momente der Verbundenheit und Gemeinsamkeit zu etwas ganz Besonderem werden.

Mitten in der Nacht begann er wieder zu husten. Nichts Neues für mich, und auch wenn ich nicht begeistert war darüber, eine weitere Nacht keinen Schlaf zu finden, drehte ich mich zu ihm, massierte seine verspannte Muskulatur, um ihm eine bessere Atmung zu ermöglichen und kraulte seinen Bauch. Mitten in der Nacht glitt er wie ein Stück Butter aus der offenen Schiebetür, marschierte um das Auto herum und legte sich in die kühle Wiese. Im Halbschlaf trottete ich ihm hinterher, sammelte in wieder ein und brachte ihn zurück zu mir.

Ganz genau höre ich heute hallen, was mein Unterbewusstsein im Halbschlaf schon wusste, das Bewusstsein jedoch nicht wahrhaben wollte: „Du legst dich aber nicht zum Sterben dahin“ war das, was ich ihm beim Einsammeln ins Ohr flüsterte.

Bucket List-Haken und ein neuer Tierarzt auf unserer Liste

Dennoch – was für ein Glück, auf einem Grundstück zu stehen, auf dem ich mit offenen Türen schlafen konnte, alle meine Räuber um mich zusammengerollt. Solche Träume wollte ich mir eigentlich immer mit meinem Roadtrip ins Baltikum erfüllen, nun hakten wir eben im Weserbergland einen weiteren Wunsch von meiner Bucket List.

Am frühen Morgen ließ ich die Jungspunde in den Garten, wir spielten mit dem Dummy, bevor ich mich noch einmal ins Bett legte und dann von Kala geweckt wurde. Buddy entspannte noch immer vor mir – dachte ich. Als ich aufstand und ihm aufhelfen wollte, sah ich, wie sehr die Nacht an seinen Kräften gezehrt hatte. Nach kurzer Rücksprache mit meinem Tierarzt entschieden wir, ihm noch ein wenig Zeit zu geben, ihn jedoch zu beobachten, um bei Verschlechterung reagieren zu können. 

Richtig entspannen konnte ich so natürlich nicht und so telefonierten wir verschiedene, möglichst schnell erreichbare Tierärzte durch und berichteten von seiner Vorgeschichte. Der Tierarzt im Ort war schließlich bereit, ihn sich anzuschauen und so machte ich mich auf den Weg.

Was für ein Glück, bei einer Freundin zu sein, die nicht darüber nachdenkt, dass sie deine anderen drei Rabauken solange betreut und versorgt, damit du dir wenigstens keine zusätzlichen Gedanken um sie machen musst.

Gut aufgehoben und versorgt

Am Tierarzt angekommen konnte ich direkt vor der Tür halten. Bei einer Außentemperatur von über 30 Grad entschied ich mich, ihn lieber in die Praxis tragen zu lassen. Ich möchte hier nicht alle medizinischen Details aufführen, was ich aber sagen möchte, ist, dass ich Herrn L. Barz unglaublich dankbar bin für seine Herangehensweise.

Zuerst einmal gab er uns trotz herannahender Mittagspause keinen Moment das Gefühl, zu viel zu sein oder uns beeilen zu müssen (das war bei der anderen Praxis bereits am Telefon schon ein Problem). Zu jeglicher Untersuchung gab es detaillierte Erklärungen, so dass ich immer wusste, weshalb welche Schritte eingeleitet werden und welche Optionen noch für uns bestehen. Die Ruhe und Klarheit haben uns beiden Sicherheit gegeben und es war besonders, dass wir, während die Infusion lief, sogar noch einmal Zeit hatten, Buddys ereignisreiches Leben Revue passieren zu lassen. Der Räuber erholte sich in der Zwischenzeit, wickelte die Assistenz gekonnt um seine Pfote und machte sich mit mir auf den Weg zurück zum Hof, zurück zu den anderen.

Groß war die Freude, ihn zu sehen, mindestens genauso groß der Schatten, der nun über uns lag. Auch wenn der Arzt zuversichtlich gewesen war, die Röntgenbilder sahen nicht gut genug aus, um wirklich positiv in die Zukunft zu blicken. Gerne wollte ich im Hier und Jetzt sein, an den Roadtrip und ein paar weitere Wochen glauben, ganz konnte ich mich jedoch nicht davon ablenken, auf welch wackeligen Beinen unsere gemeinsame Reise und Zukunft nun stand. 

If this is my last night with you

Buddy ließ sich von all dem nicht beirren. Er kuschelte mit mir, lag bei Zissis Nachwuchs und im Hundebett und beobachte, was um ihn herum vorging. 

Auf einmal stand Zissi vor mir, Nachwuchs im Schlepptau, Kamera und großes Objektiv parat. „Wir machen das Shooting, egal was passiert.“ war ihre Antwort auf meine oben erwähnte Sprachnachricht gewesen. Was für ein Glück, eine Freundin zu haben, die phänomenale Hundebilder macht und bereit ist, diese auch nach einem Nottierarztbesuch bei mehr als 30 Grad, hoher Luftfeuchtigkeit und mit Käfer-Nachwuchs auf dem Rücken aufzunehmen.

Nach dem Shooting brachte ich Buddy zum Caddy. Es wurde bereits langsam dunkel und wir entschieden uns, den Abend statt in der Küche oder auf der Terrasse gemeinsam mit ihm draußen zu verbringen. 

Unter Sternen lag er bei offener Schiebetür im Minicamper, Ben, Indy und Amber um ihn herum versammelt, während wir im Licht der Camping-Lampe und Kürbislichterkette liebevoll von Zissi zubereitete Kleinigkeiten zu Abend aßen. Über dem Nachbarort tobte ein Gewitter, in unserer kleinen persönlichen Traumkugel war davon jedoch nichts zu hören. Stattdessen beobachteten wir Blitze und Leuchten wie ein Feuerwerk für Buddys Leben, seine Liebe, seine Fröhlichkeit und seine Abenteuerlust.

Give me a memory I can use

Als auch noch Sternschnuppen über uns zum Vorschein kamen und Zissi Musik anmachte, war es um mich geschehen. Ich weinte hemmungslos und fragte mich, wie etwas gleichzeitig so schön und so fürchterlich grausam sein konnte. Dennoch war ich dankbar dafür, diesen Moment noch mit ihm erleben zu dürfen. 

Buddys letzte Stunden möchte ich momentan aus Respekt für den Räuber und meine Erinnerungen für mich behalten. Nur so viel: Er hat sich selbst entschieden zu gehen und ich bin dankbar dafür, wie alles abgelaufen ist. 

Momentan bin ich betäubt vom Schmerz. Die nächsten Tage werde ich sicherlich noch das ein oder andere Mal berichten, was mir auf der Seele liegt. 

Dennoch möchte ich mich bei euch allen bedanken für die Unterstützung jeglicher Art, die ihr uns habt zuteil werden lassen. Für eure Worte, eure Anteilnahme und für den Raum, den ihr ihm gegeben habt. Mein größter Wunsch für meinen Blog war immer, euch zu inspirieren dazu, was alles möglich ist, auch wenn nicht alles perfekt ist. 

Das letzte, was ich Buddys Körper noch sagen konnte, war, dass er sehr viele Menschen glücklich gemacht hat. Ihr habt mir gezeigt, dass das stimmt. 

Von Herzen DANKE dafür! ♥

Foto von lapibarosa.fotografie

6 Replies to “Give me a memory I can use oder Zu müde”

  1. Mir kommen gerade die Tränen 😞 es tut mir so leid 😞 aber du hast alles für deinen Buddy gemacht was man machen konnte 😞 fühl dich gedrückt

    1. Danke sehr. Ich weiß, dass ich unglaublich dankbar sein kann für unser ereignisreiches gemeinsames Leben, aber gerade kann ich es auch einfach wirklich nicht glauben. 🙁

  2. Was für eine berührende Geschichte. Ich weine mit dir um Buddy. Er war die personifizierte Fröhlichkeit. Diese Erinnerung wird bleiben. 💝🌈🌟

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