„Welche Herausforderungen kommen auf HalterInnen zu, wenn Tiere alt werden“, wird der Film angekündigt, der zufällig genau heute im Fernsehen gezeigt werden soll. „Die Menschen vor der Kamera zeigen, dass diese letzte Lebensphase anstrengend sein kann, doch auch viele schöne Momente bereits hält.“ Genau so ist es und ich bin ziemlich froh, dass das Thema nun immer mehr in die Öffentlichkeit rückt.
Es wäre doch schön, wenn es normal würde, das Gefühlshin und -her auch laut sagen zu dürfen, ohne dass man undankbar oder gemein gegenüber dem Seniorbegleiter erscheint oder belächelt wird, „weil man einfach nicht loslassen kann“. Dabei hat es damit nun wirklich nichts zu tun.
Klar, dass man nicht „Hurra“ ruft, wenn der Zeitpunkt des Abschiednehmens gekommen ist für einen Abenteuerrabauken, der einen viele Jahre begleitet hat. Es wäre ja auch schlimm, wenn es nicht weh tun und ein riesiges Loch reißen würde.
Mehr als „nicht loslassen können“
Aber deswegen „nicht loslassen können“? Der Prozess des Alterns beginnt beim Hund genau wie bei uns irgendwann. Langsam baut die Muskulatur ab, Seh- und Hörkraft lassen nach.
Das wissen wir alle, und vor allem bedeutet das eines: Eine riesige Verantwortung, zu entscheiden, was dem Senioren noch gut tut und was nicht. Und auch wenn ich im Kopf natürlich denke, dass ich dazu bereit bin, war er doch auch immer für mich da, ist es tagtäglich doch etwas ganz anderes, sich darauf auch einzustellen.
Wenn die Runden kürzer werden, die Pfoten auf glattem Boden rutschen und der vierbeinige Abenteurer nicht mehr begeistert in den Camper springt, dann hat das verdammt noch mal nicht nur mit Emotion, nicht loslassen können oder Verantwortung zu tun, dann macht das auch etwas mit meinem Alltag!
Es verändert auch meine Routinen, wenn plötzlich meine Vorstellung von Bewegung und Freizeitgestaltung absolut konträr gehen mit dem, was mein Hund noch will oder kann. Die nächste Tour nach Schweden? Mein Herz hüpft bei der Vorstellung, schlägt jedoch abrupt wieder auf dem Boden auf, wenn ich mich daran erinnere, wie wenig schön selbst das halbtägige Outdoor-Office im Caddy letzte Woche für Buddy war.
Bei Amber sieht das anders aus, sie entspannt einfach auf der Matratze und ist zufrieden damit, dass fehlendes Hören und Sehen sie in ihre eigene Welt mit nachlassenden Außenreizen packen.
Buddy dagegen fühlt sich unsicher, die fehlende Versorgung der Nerven in seinem Körper haben ihm jegliches Körpergefühl genommen. An schlechten Tagen tut er sich schwer damit, sich ohne Hilfe auf sein Hundebett zu legen. Ihn machen die fehlende Sinne hilflos, dabei ist ihm ausgerechnet der Kontakt nach außen so wichtig.
Alltag zwischen Altbewährtem und Veränderung
Und auch für mich ist es eine Herausforderung, darauf einzugehen. Zu realisieren, dass er mich häufig einfach nicht mehr wahrnimmt, im Zeitlupentempo hinter mir dennoch gesehen und selbst wahrgenommen werden möchte. Ihm Körperkontakt und Nähe zu bieten, auch wenn ich gerade das ich-weiß-nicht-wievielte-Mal verlorenen Kot von seinem Bett entfernt habe. Trägt er die Schuhe, die ihm zumindest sicheren Halt auf dem Boden versprechen, könnt ihr euch gerne selbst ausmalen, wie das manchmal aussieht.
Zu Beginn dachte ich, dieser Kotverlust läutet das Ende ein, er sei ein sicheres Zeichen dafür, dass es nun rapide bergab ginge. Weit gefehlt, war es doch lediglich Zeichen dafür, dass sein sowieso schon aus seiner Vergangenheit geschundener Körper nun noch eine weitere Krankheit aufgesammelt hatte, gegen die wir fast machtlos sind.
Fast, denn hier kommt die Physio wieder ins Spiel und damit meine Dankbarkeit dafür, dass ich die Ausbildung gemacht und mir irgendwann doch einen Laser gekauft habe, mit dem wir hier gut gegensteuern und Lebensqualität bieten können.
Ausgelaugt vom Kümmern
Und ja, an manchen Tagen bin ich genervt. An manchen Tagen bin ich ausgelaugt vom Kümmern, vom Gegensteuern, vom ständigen Schuldgefühl, wenn ich nicht genug gemacht habe und er deshalb schlechter läuft.
Aber wisst ihr was? Ich würde es deshalb keinen Deut anders machen. Es ist nun mal mein Ding, das mit den Hunden. Es macht mich glücklich, es erdet mich und es gibt mir Sinn.
Besonders in den letzten Wochen, seit ich hier wohne und wieder etwas mehr Zeit und Kopf für mich selbst habe, ist mir etwas aufgefallen. Begonnen hat alles damit, dass ich auf einmal empfänglich wurde für Anzeigen von Hunden aus dem Tierschutz. Zuerst habe ich es weggedrückt, denn ich bin nicht aktiv auf der Suche nach einem neuen Hund – logisch, es sind ja schon drei da.
Als die Hundehilfe Toskana jedoch auf der Suche nach Pflegestellen für Setter-Mix-Babies war, war es dann bei mir so weit. Das Gedankenkarussell begann, sich zu drehen. Was würden die Leute sagen, könnte ich noch Campen gehen, meine Verabredungen einhalten, Physio machen. Würde jemand auch zwei oder sogar vier betreuen, falls das notwendig sei? Einfach so ins Tierheim wandern lassen wollte ich sie jedoch auch nicht. Ich begann, abzugleichen, ob es andere Frauen gab, die vier Hunde betreuten.
Und plötzlich machte es Boom! In Doha hätte ich mir all die Gedanken über die anderen auch nicht gemacht. Wieso überlegte ich jetzt die meiste Zeit, was andere sagen und denken könnten und wo war mein Wunsch dabei?
Erschöpfung gehört dazu – und trotzdem geht es weiter
Wieso war ich nicht einfach die Frau, die vier Hunde betreute? Dass ich nicht unvernünftig Tiere sammle und Lösungen für aufkommende Herausforderungen suche, weiß glaub ich jeder. Und dass ich mir durchaus bewusst bin, dass so etwas anstrengend sein kann und Einschränkungen bedeutet – well, siehe oben.
Die Erkenntnis weitete sich aus. Wie oft hatte ich in den letzten Jahren Entscheidungen getroffen, bei denen ich rundherum abgefragt hatte, was andere denken? Oder noch schlimmer: Vorab überlegt hatten, was andere vielleicht eventuell möglicherweise denken könnten würden.
Und wohin hatte es mich gebracht? Ins Glück zumindest nicht. Das, was mich wirklich glücklich macht, das wurde immer aus meinem Bauch heraus entschieden. Alle Eventualitäten würde ich auch mit noch so heftigem Grübeln nicht abdecken können und genau dafür ist das Leben ja nun mal wie es ist.
Diese Gedanken hielten mich erst einmal ganz schön beschäftigt. Bisher hatte ich mich immer für jemanden gehalten, der mutig seinen eigenen Weg geht.
Vor großen Entscheidungen habe ich auch tatsächlich keine Angst, aber im Kleinen, Alltäglichen, da trau ich mir dann doch wenig zu. Suche Anerkennung von Außen. Anerkennung für einen Lebensweg, der oft so extrem abweicht von dem, was die anderen tun, dass es schwer sein wird, diese zu finden.
Warum „Was die anderen wohl denken“ endlich aufhören muss
Einen entscheidenden Hinweis hat meine Freundin Anni von Hund im Gepäck geliefert: Was, wenn die Überforderung, die da noch immer in Burnout und Co waberte, der Grund ist für das fehlende Gefühl für sich selbst ist?
Oder besser war, denn das würde ja auch erklären, warum es nun zurückkommt, jetzt, da ich eben abseits vieler Außenreize mit mehr Zeit für mich und meine Kreativität wohne.
Wer sich bremst, dem quietscht die Seele
Für mich macht es Sinn. Und eigentlich freut es mich, dass das, was mit Vanille auf dem Kaffee am Morgen begann, nun immer mehr dazu führt, dass ich spüre, wer ich bin, was ich wirklich will.
Möge es mir den Mut geben, weiter zu gehen auf einem Abenteuerpfad. Abweichend von dem, was andere tun, solange es dem entspricht, was ich mir wünsche. Und plötzlich fällt mir der Spruch wieder ein, den ich am Wochenende auf einem Camper-Event gelesen hatte:
„Wer sich bremst, dem quietscht die Seele“.
Bremsen zum Wohl der Gesundheit, dafür, bewusster wahrzunehmen und nicht alles auf einmal zu machen – gerne. Bremsen entgegen der eigenen Bedürfnisse zugunsten möglicher Anerkennung anderer? Wie heißt es so schön? „Und gib mir die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden“.
Lasst es euch gut gehen.
Kerstin mit Buddy, Amber und Ben
Ich lese so gerne deine Geschichten 🙂 und es erinnert mich so sehr an die Zeit mit unserem Sammy, habe auch jeden Tag sein Bett frisch bezogen und ihn sauber gemacht und hätte das ewig für meinen Seelenhund gemacht
Ich ärgere mich wirklich häufig, merke aber dann schnell, dass er ja wirklich nichts dafür kann. Und Buddy ist einfach eine Seele von Hund mit so viel Liebe für andere, wie soll ich ihm ausgerechnet dafür böse sein.