„Ich kann da auch“, sagte meine Mum, nachdem wir am Frühstückstisch endlose Bücher über mögliche Campingziele gewälzt und ich ihr meine nächsten freien Tage vorgelesen hatte. Eigentlich hatte ich die für Halle a.d. Saale verplant, nachdem ich vor Kurzem einen Bericht darüber gesehen hatte.

An der Saale hatte ich mit den Räubern bei meinem Ausflug nach Thüringen im letzten Jahr auch eine phänomenal schöne Wanderung gemacht.

Auch meine Mum hatte klare Vorstellungen davon, wo es hingehen sollte: Ins Allgäu und an den Bodensee. Hm. So einfach ist das ja nicht für mich, meine einmal gefassten Ziele wieder umzuwerfen. Beides klang ja eigentlich nicht schlecht, aber irgendwie hatte ich mich gedanklich schon fest gefahren. 

Meine Mama ließ das nicht gelten. Zack, zack, hatte sie eine komplette Tour inklusiver anzusteuernder Campingplätze parat. Da kam ich mit meinem puren Richtungsvorschlag nicht mit und so ließ ich mich auf ihren Vorschlag ein. 

Kurz vor der Abfahrt entschloss ich mich, meine Küchenschublade noch ein wenig zu modifizieren und kaufte mir endlich einen eigenen Gasgrill / -kocher.

Unser erster Stopp: Naturcamping Braunsbach

Disclaimer: Ich verlinke die Camping-Plätze hier als Service, falls ihr die Route ausprobieren und nachfahren wollt. Es handelt sich um unbezahlte Werbung und keine Kooperation.

Naturcamping Braunsbach – Ruhe, Wasserblick und ein Gedenkzentrum

Er liegt im Landkreis Schwäbisch-Hall direkt am Kocher. Ende April war es ruhig dort und wir hatten freie Stellplatzwahl. Wir parkten unsere Reisegefährte direkt am Wasser und bereiteten uns einen kleinen Mittagssnack. Anschließend machten wir uns auf den Weg nach Braunsbach, wo wir im Gedenkzentrum einiges lernten über die verheerende Sturzflut, die 2016 große Schäden im Ort angerichtet hatte. So schön es ist, mit Blick aufs Wasser aufzuwachen, so komisch fühlte es sich an, solche Gewalt zu sehen. 

Mit etwas mulmigem Gefühl im Magen und allen vier Reiseräubern im Schlepptau setzten wir uns nach einem weiteren kurzen Abstecher durchs historische Örtchen ins Café. Hatte ich mir zu Beginn der Reise noch etwas Gedanken darüber gemacht, wie solche Situationen mit drei Räubern zu bewältigen seien, zeigte sich hier, dass eigentlich alles ganz einfach war. Trotz tosender Ridgebacks gelangten wir an unseren Platz, bestellten Kaffee und Kuchen und genossen beides auch, ohne nur hektisch nach wuselnden Hunden zu schauen. 

 

Nach einer kleinen Entdeckungsrunde in der Nähe des Campingplatzes und einem gemütlichen Frühstück ging es für uns dann schon weiter, auch wenn das Kochertal einiges an tollen Wanderungen verspricht. 

Zwischen Golfplatz und Gastfreundschaft: Überraschung in Ottobeuren

Unser nächster Stopp in Ottobeuren war ein weiteres Beispiel dafür, wie sehr man sich doch manchmal täuschen kann.

Als wir den Zubringer herunterfuhren, ragten vor uns die künstlichen Türme des Adventure-Golfplatzes in die Luft. Der Golfplatz selbst – knallevoll. Laut, Chaos. Ich erinnere – ich bin die, die am liebsten außerhalb der Ferienzeit in abgelegene, stille Ecken fährt, um meine Ruhe zu haben.

Meine Mum und ich liefen gemeinsam die Zufahrt zum Platz hinunter. Dieser leerte sich gerade nach einem Campertreffen der Ü-50-Frauen. Es herrschte eine fröhliche, entspannte Atmosphäre. Wir liefen um das Rezeptionshaus herum. Ich las von Hundeduschen, dem Bettenlager. Wurde auf der Terrasse und an der Rezeption herzlich begrüßt. Auf meine Hunde freute sich Sabine und schon bei dem Check-In konnten wir uns Leckereien für das morgige Frühstück bestellen. Die Sanitärräume waren warm und top gepflegt (wer schon öfter unterwegs war, weiß sicherlich, dass manchmal schon allein Wärme Luxus ist). Aus Rücksicht auf die Rabauken bekamen wir einen Platz am Rand. 

Wir richteten uns ein, liefen die erste Erkundungstour und holten uns ein Abendessen vom kleinen Horrorgolfplatz, der bei näherem Hinsehen doch gar nicht so schlimm war. Es wehte und wir waren so erschöpft von den Eindrücken der ersten beiden Tage, dass die Rabauken sich in die Fahrzeuge verzogen, bevor ich überhaupt alles vorbereitet hatte. Wir beschlossen, es ihnen gleich zu tun und verbrachten den Abend lesend und Eindrücke verarbeitend, bevor wir sanft in eine eisige Nacht hinweg schlummerten.

 

Der Morgen war nicht viel wärmer. Als ich mich auf den Weg ins Badhäuschen machte, taute gerade der Frost von der Scheibe des Busses meiner Mum.

Die Sonne lockte uns dennoch hinaus und wir liefen über die frisch gemähte Wiese, genossen den Duft und die Entdeckerlust unserer vierbeinigen Abenteurer.

Wie schnell sich meine Meinung geändert hatte und wie gern ich nun doch noch ein paar Tage geblieben wäre. Aber ein Roadtrip ist nun mal nur dann ein Roadtrip, wenn man sich auch fortbewegt.

Der Bodensee wartete schließlich schon. 

Hängebrücke, Isny und ein erster Blick auf die Berge

Auf dem Weg erhoben sich schon bald die Silhoutten schneebedeckter Berge vor unseren Augen. Und auch wenn mein Herz schlägt für Sand und Meer, kann ich mich diesem Anblick nie verwehren. In diesem Moment hat es mich so beeindruckt. dass ich rechts ran fahren musste. Meine Mum stoppte etwas besorgt hinter mir, als sie sah, dass mir die Tränen liefen. Schnell war jedoch klar, dass es sich hier um Freudentränen handelt und so  freute sie sich, mit mir eine Verbündete in ihrer Begeisterung für die Schönheit der Gegend gefunden zu haben.

Um diese Schönheit voll und ganz genießen zu können, ließen wir uns heute Zeit. Fuhren ab, als ich den Wegweiser einer Hängebrücke entdeckte und erkundeten so die Hängebrücke über die Iller bei Altusried (meine Mum ist als alter Ortsprofi natürlich längst dort gewesen).

Erkundeten die Altstadt von Isny, die katholische Pfarrkirche St. Georg und Jakobus und ließen uns in praller Sonne bayerische Köstlichkeiten schmecken. Da wir einen sicheren Schattenplatz gefunden hatten, konnten die beiden Rabaukensenioren sich entspannt im Auto ausruhen, bevor es nun weiter in Richtung Campingplatz Iriswiese in Kressbronn ging.

Regeln, Radler und Realität: Campingplatz Iriswiese in Kressbronn

Meine Mum hatte mir sehr viel davon erzählt, richtig vorgeschwärmt. Mit ihrer Freundin hatte sie tolle Tage dort verbracht, frischen Fisch gegessen, mit ihrem Hund den Bodenseestrand und überhaupt die Nähe zum Wasser genossen. Das klang herrlich, nach Sommer und Leichtigkeit. 

Für mich war die Realität eine ganz andere. Ein riesiger Campingplatz mit zum Teil festen Dauerstellplätzen. Für die Hunde gab es erstmal eines: Regeln. Wer mich kennt, weiß, dass ich selbst sehr viel wert darauf lege, mit meinen nicht unangenehm aufzufallen, aber ein solches Pamphlet setzt mich vor allem unter Druck. Die Nähe zum Wasser- so toll sie auch war – bedeutete vor allem eines: Wir mussten für jedes Gassi über den ganzen Platz laufen, eine Hundewiese oder alternative Ausgänge wie auf dem Platz in Ottobeuren gab es nicht. Am Strand sind Hunde bis auf einen Abschnitt am anderen Ende fast überall verboten.

Versteht mich nicht falsch, das alles sind Regeln, die auf einem solch großen Platz völlig nachvollziehbar und wahrscheinlich auch notwendig sind, mit drei Hunden und davon einem, der weite Strecken nur noch tagesformabhängig gehen kann, wäre dies jedoch nicht meine erste Wahl gewesen.

Auf der ersten Runde trafen wir am Kinderspielplatz inmitten aller Regeln prompt auch noch auf eine freilaufende französische Bulldogge, die vergnügt pöbelnd mitten in mein dadurch entstandenes Leinenwirrwarr polterte. Ich war erst einmal bedient. 

Als wir endlich die gefühlt nicht enden wollende Einfahrt passiert hatten, auf der Hunde sich bitte auch nicht erleichtern sollten, traf ich auf die nächste Herausforderung: geteilte Rad- und Fußgängerwege. Hach ja. In einer Region, in der ein wundervoller See von tausenden und abertausenden Radfahrern umrundet wird, ist ein fahrradängstlicher Setter einfach nicht gut aufgehoben. Ich stand und wartete, ließ Räder vorbei, stand und wartete. 

Zwiegespalten

Selten war ich so zwiegespalten. Ich sah die Schönheit, den Reiz des Sees und der Umgebung, ich hätte mich gern entspannt auf dem Campingplatz und mit meiner Mum eine ebenso tolle Zeit genossen, wie sie es mit ihrer Freundin getan hatte. Stattdessen war ich überfordert ob der vielen Reize und wusste nicht, wem ich meine drei Räuber als erstes aus dem Weg räumen sollte. 

Schnell fand sich jedoch eine gute Lösung, die den Aufenthalt für mich deutlich entspannter machen sollte: Meine Mum hatte wenig Lust auf große Entdeckungstouren, wollte lieber den Bodensee-Strand genießen und ein wenig entspannen. Unter ihren wachsamen Augen konnte ich damit die Rabauken bei ihr lassen und nur jeweils einen der Räuber auf meine Erkundungstouren mitnehmen. Herrlich!

Als Ausgleich bereitete ich ihr das Gericht zu, dass es am Tag ohne Fisch auch mit ihrer Freundin gegeben hatte. Endlich kam so auch der neu erworbene Grill zum Einsatz.

Am nächsten Tag entschieden der Setter und ich uns zur Konfrontationstherapie: Mitten auf dem Bodenseeradweg marschierten wir eine Erkundungstour nach Langenargen. Als wir genug hatten vom Ausweichen und stehen bleiben, flüchteten wir uns über den Uferweg direkt an den FKK-Strand. Ganz so viel Konfrontation wiederum hatte ich mir auch wieder nicht erwartet und so ging es zurück über den Radweg, an den Yachthafen, von Selfie-Point zu Selfie-Point bis an den nächsten Hofladen, an dem wir uns eindeckten mit Wein und kleinen Köstlichkeiten.

Auch wenn ich mich bewegt und erste Eindrücke gesammelt hatte, war es mit der Liebe zum Bodensee noch nicht so weit her. 

Frühstücksmusik, Promenade &Werftflair: Der Bodensee und seine Hand an meinem Herzen

Das änderte sich jedoch schlagartig am nächsten Morgen. In aller Herrgottsfrühe liefen Ben und ich am 01. Mai hinein nach Kressbronn. 

Wir folgten den Schildern durch den kleinen Park im Landschaftsschutzgebiet, entdeckten Bahnhof und das Bärenhotel, hörten und sahen zu wie die Blaskapelle die Bürger des Ortes weckte und dafür mit Frühstück versorgt wurde.

An der kleinen Promenade beobachteten wir die Schwimmer beim Frühsport, hatten Fun with flags, erkundeten die Werft und ihren Industrial-Style, fühlten uns zurück versetzt ins Loft. Naja, zumindest ich fühlte mich zurück versetzt, Ben rockte zum Zeitpunkt unseres Aufenthalts im Bergischen noch die Straßen Andalusiens. 

Zufrieden kamen wir zurück an den Campingplatz. Und auch wenn es ein wenig gedauert hat, bis es soweit war: Gerade die Werft und die Morgenstille am Schwäbischen Meer haben sich tief in mein Herz gebrannt. 

 

Kennt ihr auch solche Urlaubsorte?

Lasst es euch gut gehen,

 

Kerstin mit Buddy, Amber und Ben

2 Replies to “Konfrontationstherapie oder Übers Allgäu an den Bodensee”

    1. Das freut mich so, gerade nach meiner langen Schreibpause! Und die Tour mit ihr war einfach toll und entspannt! Würde jederzeit wieder los.

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