An der kleinen, windschiefen Bude löse ich mein Ticket. Oldschool, aus vergilbtem, gelblichen Papier. “Jahrmarkt deiner Träume” steht darauf, Sterne umringen die Schrift.
Teuer ist es, aber das macht nichts. Ich glaube fest an das Versprechen, längst haben mich der Duft von Popcorn, Maple-Pumpkin-Spice, Heimat, Fallenlassen, Angekommen-und-ich-selbst-sein in den Bann gezogen.
Der Mann im Pförtnerhäuschen tippt mit zwei Fingern an den Rand seines Zylinders und schiebt mich auf das Gelände. “Kein Zurück mehr” höre ich obwohl er nichts sagt. Die grünen Augen glitzern, sein Lächeln macht mir ein wenig Sorgen. Ich schiebe das ungute Gefühl beiseite, mache einen Schritt nach vorne.
Sofort komme ich ins Schlingern, rudere mit den Armen, kann mich gerade so fangen. Ein Förderband. Fies. Aber spannend.
Ich versuche, die Fahrgeschäfte auf dem Platz wahrzunehmen, mich zu konzentrieren bei all der Dekoration, die mir entgegen springt. Das Förderband bringt mich ins Hundehaus. Hundehütte mit übertriebenen Comicgesichtern. Alle erdenklichen Rassen, alle haben grüne Augen. Sie hecheln, tapsen mit der Pfote nach mir, fordern Aufmerksamkeit.
Assoziation von Wald
Drinnen ist es ruhiger. Salbeigrüne Wände, Holz, eine Assoziation von Wald. Ich atme durch, fühle mich angekommen. Das Förderband stoppt, ich sehe mich um. Die Regale liegen voller Ideen und Möglichkeiten, kleine und große.
Ich bin nicht sicher, ob ich danach greifen soll, tue es aber trotzdem. Bestaune wunderschöne Hundeaccessoires, liebevoll dekorierte Schaufenster und selbst bemalte Hals- und -armbänder. Ein warmes Gefühl macht sich breit in mir, ich blicke mich um.
Gerade, als ich mich nach meiner Familie und meinen Freunden sehne, ihnen zeigen will, was es hier tolles gibt, beginnt das Haus zu wackeln. Das Förderband setzt sich in Bewegung, ich verliere wieder das Gleichgewicht. Eine riesige Setterpfote tritt vor mir auf den Boden, ich sehe die Fussel zwischen den Zehen und denke noch “die musst du schneiden”. Ein großer, weißer Wurm wickelt sich um mich, beginnt an meinem Herz zu fressen.
Rechnungen-Regen und goldene Stäbe
Die Ideen und Möglichkeiten verwandeln sich in Rechnungen, die weiter und weiter auf mich herab regnen. Ich versuche, sie aus meinem Gesicht zu schlagen, aber kann sie nicht stoppen. Es regnet und das Förderband zuckelt unaufhaltsam weiter. Neben mir erscheinen Bilder von Ausflügen, Wandern und Camping, gemeinsame Zeit, Picknick. Will ich danach greifen, verschwinden sie im Nichts, lösen sich auf. Jedesmal höre ich den Herzwurm hämisch lachen, während er Stück für Stück mit meinem Herzen frisst, was mich ausmacht.
Ich kann nicht mehr stehen, sacke auf die Knie. Irgendetwas drückt mich fest auf den Boden, hilflos schaue ich mir an, was um mich herum passiert. Meine Träume und Ideen entgleiten mir, um mich herum entstehen massive, goldene Stäbe. Sie kommen immer näher, schränken mich ein. Nur hinten, am Horizont, scheint ein wenig die Sonne. Verzweifelt strecke ich meine Hand danach aus, die Sonne wärmt mich kurz, verschwindet dann aber wieder.
Mir laufen die Tränen, mein Herz tut weh von den Löchern, die der Herzwurm gefressen hat. Noch immer fährt das Förderband auf die Sonne zu, gerade, als ich mit beiden Händen danach greifen will, macht es eine abrupte Wendung. Mein Kopf knallt auf den Boden, damit habe ich nicht gerechnet.
Es wird kalt und dunkel, ich sehe nur noch Sterne an mir vorbei rasen. Rolle mich zusammen, der Setter liegt an meiner Seite und wärmt mich.
Vlan und Salted Caramel
Tausend Hände strecken sich nach mir, ziehen, fordern. Ich kann nicht mehr, bleischwere Erschöpfung drückt mich in den Matsch. Seht ihr denn nicht, dass ich nicht mehr geben kann. Sie sehen. Sie hören. Sie helfen mir auf. Reichen mir die Hand, füttern mir Vlan und Salted Caramel.
Der Setter ist erleichtert, Lebensfreude strahlt aus seinem Gesicht. Er beißt den Herzwurm aus meinem Herzen, zerfetzt ihn in winzig kleine Stücke.
Bringt mir Spielzeug, mit jedem winzigen Dummy legt er mir ein wenig Lebensfreude in die Hand. Die Möglichkeiten werden wieder klarer.
Camping, Wandern und Herbstsonne erscheinen am Horizont.
Post von der Vernunft
Das Förderband stoppt. Die Vernunft reicht mir einen Umschlag. Der Umschlag glitzert und fühlt sich gar nicht blöd vernünftig an. Vorsichtig schaue ich hinein.
Sterne und Sonne strahlen daraus, Reisen, Freiheit, kleine Häuser auf großen, unverbauten Grundstücken. Mein Herz wird warm, ich versöhne mich ein wenig mit den Löchern, die der Herzwurm hinterlassen hat.
Die Hand danach auszustrecken, traue ich mich noch nicht, also betrachte ich für eine Weile die Möglichkeiten, die der Brief mir aufzeigt, genieße das faszinierende Spiel der tanzenden Sterne.
Fühle mich gehalten, vertraue.
Spüre das Ticket in meiner Hand, wundere mich, wieso im Leben eigentlich nichts nach Plan geht. Schüttele den Kopf, verlasse das Gelände.
Die grünen Augen des Pförtners blitzen, und bevor ich gehe, zwinkert er mir kurz zu.
❤️
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