„Drei Hunde? Mir langt schon einer.“
So oder ähnlich klingt der Satz, der uns begleitet, seit wir im kleinen Ort mit den drei Rabauken Gassi gehen. Eigentlich, ja eigentlich, dachte ich, ich hätte die magische Grenze der „Jederzeit von Jedem“-Kommentare bereits dank meiner volltätowierten Arme und der beiden Rabauken überschritten, mit denen ich weiterhin Kontakt an der Leine vermeide.
Aber weit gefehlt! Der Dritte im Bunde zeigt, wozu das kleine Örtchen, in das wir im letzten Jahr voller Freude gezogen sind, fähig ist.
Ob nun der Gemeindemitarbeiter, der es sich trotz strahlendem Sonnenschein und Trubel des Wochenmarktes nicht nehmen lässt, mir durch das geöffnete Autofenster zuzurufen, ich solle mir doch gleich noch weitere fünf nehmen, die Frau, die ihren verachtenden Blick untermalt mit einem lauten „Tss“ oder der ältere Herr, der sich verleiten lässt, ebensolcher Frau mit abfälligem Ton sein Missfallen über mich und meine Drei zu verkünden, während sein strubbeliger Begleiter mehrere Meter vor ihm fröhlich bellend die gesamte Länge der Flexileine ausnutzt, um es ihm gleich zu tun.
Früher
Früher, da hätte ich zitternd am Frühstückstisch gesessen und mir das Hirn darüber zermartert, was ich tun muss, um anerkannt zu werden. Dringend wollte ich beweisen, dass mehr in mir steckt, wir liebenswert sind, nicht böse, was weiß ich nicht alles.
„Ich wünsche mir für dich mehr innere Ruhe und die Sicherheit, dass alles so ok ist, wie du es machst.“ hat mir vor kurzem Nina von Der weisse Hund geschrieben. Wie schon so häufig vorher hat sie damit direkt ins Schwarze getroffen.
Den ganzen Tag grübelte ich über ihre Worte. Warum war es für mich so schwer, diese Sicherheit zu spüren? Warum fokussiere ich so sehr die negativen Aspekte, anstelle die positiven Begegnungen zu genießen?
Ich dachte wieder an die Anfänge meiner Hundephysio zurück. An die ersten Wochen und Monate in der Praxis. Obwohl die Chefin nie etwas Negatives gesagt hatte, konnte ich die Nacht vor und nach dem Arbeitstag dort einfach nicht schlafen.
Ich grübelte, welche Patienten mich wohl erwarten würden, machte mir Sorgen, nicht alles zu entdecken, nicht alles zu wissen, etwas Essentielles zu übersehen. Auf dem Rückweg nach Hause fragte ich mich permanent, ob ich alles richtig verstaut, die Pumpe für den Pool korrekt gereinigt und wieder zusammengesetzt, das Wasser abgedreht, die Praxis verschlossen hätte. Es war die Hölle.
Feel the fear
„Feel the fear and do it anyway” suchte ich mir damals zusammen mit meiner Schwester als Leitspruch heraus.
So konnte ich weiter machen. Und so wuchs die Souveränität. Ich entwickelte meinen Weg, mit den Patienten umzugehen, ich agierte ruhig und gelassen. Spezialisierte mich auf die Hibbeligen, Aufgeregten, die, die vielleicht auch etwas unsicher und vorsichtig sind.
Als ich in der alten Heimat ankam, ging es genauso weiter. Täglich erhalte ich von meinen Patientenbesitzern positive Rückmeldungen. Gerade letzte Woche hat mir wieder jemand gesagt, wie sehr er meinen ruhigen, unaufgeregten Umgang mit den Hunden schätzt.
Ich? Ruhig und unaufgeregt? Ich musste lachen, schätze ich mich doch selbst eher als chaotische Ungeduld ein, für die “ruhig” in einem Atemzug mit “langweilig” kommt.
Was aber, wenn das nicht stimmt? „Ruhe reinbringen“ war das erste, was ich für Ben und meine beiden Rabauken tat. In unserem Umgang schätze ich genau die, die das ganz natürlich tun.
Die, die eine natürliche Souveränität ausstrahlen.
Selbstbewusste Kraft, ohne roh zu sein.
Den kleinen Wirrkopf vor mir, der so gern alles richtig machen möchte, gehen wir also raus. Ruhig, gelassen, starte ich die Runde.
Mentale Präsenz
Konzentriere alle drei auf mich. Merke, wie es mich anstrengt, so viel Präsenz zu zeigen.
Dennoch – alle machen es toll. Wir laufen nicht lang, aber es ist richtig entspannt. Was für ein Durchbruch! Die Ruhe gibt mir Kraft.
„Ich kann es ja doch.“ schießt es mir durch den Kopf. Und bevor ich mir Gedanken machen kann, wer denn eigentlich jemals behauptet hat, dass es anders sei, weiß ich schon, was ich zu tun habe.
Riesen
Ich packe mein Bullet Journal, schreibe sie hinein, all die Glaubenssätze, über die ich beim Spaziergang so stolpere. Sammle sie dort, zusammen mit all den Bilder und Sprüchen davon, wie es sein kann, wenn wir groß sind zu viert.
Riesen.
Sanft, ruhig, voll selbstbewusster Kraft. Ohne roh zu sein.
Setze Ziele, male ihn mir aus, in allen Farben, unseren neuen Pfad. Gestalte eine Karte vom zukünftigen Weg, weg von der ausgeschilderten Gewohnheitsautobahn, die mein Hirn noch automatisch aufsucht.
Schon jetzt freue ich mich auf das, was für uns noch kommt.
Auf Begegnungen und Gespräche mit tollen, freundlichen Menschen. Auf Wachstum, gemeinsames Erleben und viele neue solcher Trampelpfade, die wir entdecken werden.
Ruhig und gelassen. Voll selbstbewusster Kraft, ohne roh zu sein.
Lasst es euch gut gehen,
Kerstin mit Buddy, Amber und Ben