Der Schock über die von meinen Reisebegleitungen alleine gegessene Pizza sitzt tief. Sie dagegen sitzen schon wieder an der Planung. Viel Zeit bleibt uns nicht mehr, so viel steht noch auf der Wunschliste. Bohinj sollte die nächste Station sein. Ein großer Campingplatz am See, noch immer im Nationalpark Triglav. Bevor wir jedoch das wunderbare Soca-Tal verlassen, wollen wir den Boka-Wasserfall besuchen. Man soll ihn von der Straße aus sehen können. Auf dem Hinweg haben wir ihn verpasst. Einfach nicht gesehen. Uns ablenken lassen von den weißen Steinen zur anderen Seite, dort wo der Fluß beginnt und natürlich wieder so ungewöhnlich türkis aussieht.

Auf der Rückfahrt soll uns das nicht passieren. Die genaue Location im Kopf, parkten wir auf dem kleinen Wanderparkplatz und schauten uns zuerst das weiße Geröll aus der Nähe an. Nachdem genügend Fotos geschossen waren, ging es über die Brücke zur anderen Seite. Auf der Suche nach Boka. Sehen kann man ihn von der Straße. Vielleicht. Wenn man es weiß. Wir dagegen wollten natürlich wieder näher dran, alles genau unter die Lupe nehmen. Eine halbe Stunde Aufstieg durch weiteres weißes Geröll zeigte uns – das wars. Näher kommen wir nicht. Hm. Ok. Ganz nett, aber der Aufstieg war lustiger und interessanter als der Wasserfall – finden wir.

Müde aber glücklich machten wir uns auf den Weg zur anderen Seite des Nationalparks. Über einen Pass. Gut, dass wir so ein Babywohnmobil hatten. Wendige kleine Gemse, kletterte fleißig mit uns in die Höhe, auch als die Durchfahrt versperrt war und die gebotene Alternative noch abenteuerlicher wurde.

KletterGemse

Ein kleiner Abstecher über Bled ließen ihr Schauer über den Rücken kriechen: Touristenmagnet. Busse spuckten fotogierige, Tablets-in-die-Höhe-haltende Fünf-Meter-Läufer in alle Richtungen der Hauptverkehrsstraße aus. Am Rande des Sees warteten Boote auf verliebte und bespaßungsfanatische Romantiker. Die Highlights der slowenischen Küche wurden auf Plastikspeisekarten feil geboten, Pferdekutschen kreuzten die Straße und als Krönung wartete die obligatorische Touristentransportminiatureisenbahn. Nein. Einfach nein. Umso mehr hoffte sie auf einen ruhigeren Nachbarsee. Die Erwartung stieg, je weiter wir uns näherten. Ein mulmiges Gefühl kam auf, als uns mehrere Wohnmobile entgegen kamen. Ein noch mulmigeres, als der Parkplatz verlassen schien. An der Schranke zum Campingplatz flatterte ein rotes Schild. Sie stieg aus. “The restaurant is closed”. OK by me. An der Rezeption flatterte ein gelbes Schild: “Closed. Visitors can stay at Camp Danica.”

Hmpf. Camp Danica? Sollte das etwa der Platz sein, den wir auf der Fahrt bereits passiert hatten? Sollten wir eingepfercht zwischen endlos vielen weiteren Campern stehen? Die Laune sank. Eine Alternative – natürlich nicht in Sicht. Was blieb uns anderes, als es zu probieren. Auch hier war die Rezeption geschlossen. Wir mussten uns im Restaurant melden. Die Schranke wurde uns geöffnet, bitte am nächsten Tag an der Rezeption melden. Hmpf. Überfordert war sie mit der Auswahl des Platzes. Bereits dunkel, schien alles planlos und unstrukturiert. Kreuz und quer. Ich kann nicht umgehen mit Freiheit wenn ich schlecht gelaunt bin! Am Fluß? Ein Müllhäuschen. Hinter der Toilette? Sie wusste es nicht und überließ der Reisebegleitung die Auswahl. Nach einer kleinen Runde über den Platz gingen wir schlafen.

BistricaHikeHappyAmber

Am nächsten Morgen wagte sie sich nach draußen. Schon wickelte der Fluss sie mit seinem Türkis um den Finger – einfach, wenn man in ihrer Lieblingsfarbe fließt! Ein Wanderweg wurde gesucht. An die Quelle der Bistrica. Ein magischer Ort. Ein Wasserfall auf dem Weg, Wasserfälle an der Quelle. Ich glaube, ihr liebster Ort im ganzen Urlaub. Nicht ganz so magisch dann der Zeitdruck und der nicht gefundene Weg. Ihr erster Versuch einer Aufzeichnung per App ein nicht enden wollender Zickzack. Hin und zurück ging es über die schmale Mountainbike-Hängebrücke, wir konnten uns einfach nicht vorstellen, dass die wenigen Zentimeter und Böschung auf der anderen Seite ein Weg sein sollten. Oder sagen wir mal so – sie konnten es sich nicht vorstellen. Meine hübsche Freundin und ich schon. Und so zogen wir an. Zeigten ihnen mal, wo’s langgeht. Schaut doch mal zwischen die Wurzeln! Das reicht doch als Weg! Schweigend erklommen wir die Böschung. Ich erwähne das deshalb, da man von ihr sonst doch einige Flüche erwartet, wenn es anstrengend wird. Diesmal war es wohl anstrengender. Deshalb hatten wir uns auch eine Pause verdient und teilten uns einen Apfel. Der Schreck war groß, als sich anschließend zeigte, wir waren erst die Hälfte der Strecke gegangen! Die Knochen wären auch mit einem Großteil der Strecke zufrieden gewesen. Dennoch machten wir uns frohen Mutes auf den Rückweg – die surrealen Eindrücke der Landschaft waren einfach noch zu frisch um sich von irgendetwas die Stimmung verderben zu lassen. Nicht einmal dauerhaft durch unser Gebelle bei den Pferden. Oder von einer wieder entgangenen Cremeschnitte.

Eine Alternative war schnell gefunden. Sie überlegten sich, im Restaurant am Platz traditionell essen zu gehen. Wir seien ja sicher müde und könnten im weißen Ungetüm schlafen. Ha! Sie gaben uns Abendessen, bereiteten unsere Betten vor, wir kuschelten uns ein und sie gingen los. Aßen riesige Platten lokaler Spezialitäten für zwei Personen und genossen es. Kamen zurück zum Wohnmobil um dann festzustellen, dass ich darauf nur gewartet hatte. Ich und müde? Und ihr geht ohne mich Essen!?! Und habt ihr die alleine gegessene Pizza schon vergessen? Was ihr aber auf jeden Fall vergessen habt, war, den Müll weg zu räumen. Mit dem Kaffeesatz der French Press. Und die rumänische Nektarine.

Panik stieg in ihr hoch. Sofort wurde nach Tierärzten in der Nähe gesucht. Nichts. Ihr seid im Nationalpark, was habt ihr gedacht. Nächster Notdienst? Österreich. Nächste Tierklinik? Österreich. Sie fing an zu weinen. Versuchte, sich zu beherrschen. Rief die Tierklinik ihres Vertrauens an (danke, Tierklinik Hofheim, dafür, dass ihr wirklich immer für uns da seid!). Der Ratschlag – wie erwartet: Ein Notfall, der Kaffeesatz giftig, der Kern der Nektarine gefährlich. Offene Kliniken in der Nähe? Fehlanzeige! Während sie verzweifelt weiter versuchte, eine erreichbare Praxis zu finden, lief er zum Restaurant des Camps. Auch an Apotheken, die Kohletabletten ausgeben könnten, war nicht unter 1 1/2 Stunden Fahrtzeit zu denken. (An dieser Stelle unterbrechen wir den Hauptfilm für eine kleine Anmerkung: Der in unserer Heimat in der Vergangenheit von uns besuchte Tierarzt hatte uns abgeraten, einen solchen Vorrat in die Reiseapotheke zu packen)

Der Notdienst in Österreich empfahl als letzte Lösung Sauerkraut. Nicht gegen das Gift, sondern um den Kern zu ummanteln. Ein Hoch auf Slowenien, welches eine solch ungewöhnliche Zutat einfach ohne weiteres im Kühlhaus stehen hat! Überhaupt, die Hilfsbereitschaft des gesamten Teams des Gasthauses hat uns nachhaltig beeindruckt. Sobald sie erfahren hatten, was ich getan hatte, riefen sie über private Telefone sämtliche verfügbaren Tierärzte an, um uns beizustehen.

Um euren Puls wieder runter zu holen – ich bin noch da. Es ist alles gut gegangen. Das Sauerkraut hat mir vorzüglich gemundet, der Kern sich nach einem Umweg durch Buddyland wieder gefunden und der Kaffee hat mir auch nicht geschadet. Dennoch der übliche Disclaimer: Don’t try this at home, kids!

In dieser Nacht konnte ich nicht schlafen. Immer wieder hob sie ihren Kopf und weckte mich: Buddy, alles ok? Entsprechend müde war ich am nächsten Tag. Ich fand es daher auch gar nicht schlimm, dass es regnete. Schüttete wie aus Kübeln. Sie allerdings schon. Sorgte sich wieder ums Festfahren. Unsere Reisebegleitung sollte uns heute auch verlassen. Die Stimmung sowieso schon grau, tat die Wettervorhersage ihr übriges: Wolken und Wasser, soweit das Auge reicht. Ich möchte das nicht! Aber wir hatten doch so vieles noch nicht gesehen! Für Enttäuschung war nicht viel Zeit: um mit dem Mobil nicht im Schlamm zu versinken, mussten wir die Wiese verlassen. Hektisch wurde alles gepackt. Traurige Gewissheit, aber um überhaupt ein wenig Sonne tanken zu können, mussten wir uns heute und hier von Slowenien verabschieden. So groß die Enttäuschung auch war, so froh war sie wieder über die vom Wohnmobil gebotene Flexibilität. Und, Slowenien, eins lass dir gesagt sein: So leicht wirst du uns nicht los! Wir kommen wieder!

So long, kisses,

Buddy

Dieser Artikel ist Teil einer Serie. Die Reiseplanung, den ersten und zweiten Teil findet ihr unter den jeweilig hinterlegten Links.

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