Mischlingshündin, 6 Jahre, freundlich mit Kindern und Katzen, an der Leine bedingt verträglich mit anderen Hunden, Jagdtrieb. So lautete bis vor kurzem noch die Beschreibung von Amber möglichst nüchtern aus meiner Sicht. In dieser Beschreibung fallen direkt zwei Dinge auf, die für mich bei der Neuanschaffung eines Hundes ein No-Go gewesen wären: Unverträglichkeit mit anderen Hunden und Jagdtrieb.

Zur Genüge haben wir hier bereits berichtet, wie Amber in unsere Familie kam. Ihre Abstammung – die Eltern höchstwahrscheinlich Saluki und Schäferhund – hat bereits erahnen lassen, dass es möglicherweise nicht ganz einfach werden wird mit uns. Völlig andere örtliche Voraussetzungen und ihr junges Alter haben die No-Gos im damaligen Alltag jedoch nicht wirklich signifikant wirken lassen und mir eine Menge Mut gemacht. Gerade in letzter Zeit wurde jedoch wieder vermehrt deutlich, dass die No-Gos in Enge und Kombination mit vielen anderen Hunden doch innerlich immer No-Gos bleiben werden. Vielleicht kommen einige Züge erst mit entsprechendem Alter etwas klarer zum Vorschein. Auch wenn alles einzeln genommen für sich vielleicht gar nicht so schlimm scheint, so ist die Kombination doch einfach stressig und alles andere als entspannend für mich und meine Art.

Ein einfaches Akzeptieren der Situation kommt für mich nicht in Frage – “ich muss mal lockerer werden” habe ich zur Genüge gehört und es ist einfach nicht möglich. Denn nicht nur der Hund ist wie er ist, auch ich bin das und ich kann und will mich nicht verbiegen, auch nicht ihr zuliebe. Gerade ein so hochsensibles und intelligentes Tier wie Amber merkt doch sofort, wenn ich ihr etwas vorspiele und das gehört in meiner Welt auch einfach nicht zum gemeinsamen Umgang.

Verändert und versucht habe ich schon vieles. Manchmal sprießt ein Keim der Hoffnung auf, meistens erstickt sie jedoch jedes grüne winzige Hoffnungspflänzchen in selbigem. An stupides Training ist mit ihr nicht zu denken. Sie findet keinen Spaß daran, es macht ihr Druck und Stress und überfordert sie dadurch offensichtlich. Meine Art zu belohnen versteht sie nicht, ihr Radius ist deutlich größer als das, was sich für mich und meinen Bauch noch gut anfühlt. Ließ ich sie zu Beginn zusammen mit Buddy frei, spielten sie wunderbar zusammen, rief ich die beiden jedoch zurück, so trieb sie ihn auf dem Rückweg von mir weg und die beiden jagten im Knäuel und hinter einer großen Staubwolke verschwunden gemeinsam in den Sonnenuntergang.

Lange lief sie aus diesem Grund nur an der Leine. Mit Mühe haben wir durch Training an der Schleppleine so weit Vertrauen aufgebaut, dass ich sie in übersichtlichen und weitläufigen Gebieten ableinen und gut abrufen konnte. Auch die von einer Trainerin bescheinigte angebliche absolute Unverträglichkeit / Aggression hat sich glücklicherweise als nicht vorhanden herausgestellt. Es gibt also durchaus Fortschritte.

Aufgrund zweier unglücklicher Zufälle in kurzer Zeit hat sich nun aber etwas neues, aufregendes bei ihr geregt: Ein deutlicher Jagdtrieb. Nicht mehr nur das kurze Zucken gefolgt von anschließendem rückversichernden Blick und etwas Aufregung, sondern ein richtiger Jagdmodus. Inklusive dem zugehörigen Galopp, der mir bei ihrem Tempo und den niemals weit genug entfernten Hauptstraßen sofort das Herz in die Hose rutschen lässt. Habe ich schon erwähnt, dass das ein No-Go für mich war? Bevor ihr nun erschreckt, nein, auch eine Abgabe kommt für mich nicht in Frage. Dafür liebe ich sie viel zu sehr. Die verstaubte Schleppleine wurde nun aber wieder aus der Schublade geholt.

Mir ist durchaus bewusst, dass ich ihr Leben bin. Ich trage die Verantwortung für das, was sie lernt, erlebt, was ihre Welt bestimmt. Genauso ist mir bewusst, dass es auch für sie nicht in Ordnung ist, einen Teil ihres Lebens gegen ihr Naturell verbringen zu müssen. Ich werde sie deshalb nun nicht jagen lassen. Nicht pöbeln lassen an der Leine.

Aber ich weiß, dass ich die einzige bin, die einen Einfluss auf unser Zusammen haben kann. Auch wenn das bedeutet, dass es wieder anstrengend wird. Neues Lesematerial, neue Seminare, neue peinliche Situationen, in denen wir beide hoffnungslos versagen werden. Zumindest das kann ich jedoch akzeptieren. Hoffentlich ergibt sich daraus dann ein wenig Leichtigkeit, Albernheit und vor allem Gelassenheit für uns beide. Damit wir irgendwann über unsere Hürden lachen und mit stolz geschwellter Brust und lockerer Leine unseres Weges gehen können.

Wer (auch) manchmal etwas Zuspruch gebrauchen kann und auf dem steinigen Weg gefühlt nur noch vor sich hin stolpert, dem sei an dieser Stelle nur wieder das Buch ‘Dein Hund, deine Chance’ von Anna Meißner zu empfehlen. Vor allem ihren Brief an den Hundebesitzer kann man in einer solchen Situation sicherlich nicht oft genug lesen.

Wer einmal herrlich lachen und sich dabei vorstellen möchte, wie in etwa ein fast erfolgreiches Training zwischen mir und Amber aussieht, der darf sich nun gerne mit mir zusammen einen virtuellen Kaffee machen und diesen Clip dabei ansehen.

AmberWorking

Einen großen Erfolg zum gemeinsamen Reboot hatten wir nun aber in unserem Wanderurlaub. Ihr Gedöns und Rabautzen hat die anderen überhaupt nicht gestört. Mich hat diese Akzeptanz wiederum total entspannt und damit ist die Wüstenprinzessin öfter mal etwas verdattert gewesen. Gleichzeitig aber auch viel ruhiger. Durch das direkte Feedback der anderen Teilnehmer und vor allem auch von Katharina als Trainerin ist mir vor allem aber etwas gelungen, was ich so bisher noch nicht erlebt habe: Ich konnte tatsächlich etwas locker lassen und Amber einfach mal nur beobachten. Sehen, wie sie sämtliche Jagdambitionen verliert, wenn sie in einer großen Gruppe agiert, beobachten, wie sie das Rudel zusammen hält und sich dennoch immer wieder bei mir rückversichert. Merken, wie sie mit neuen Situationen umgeht, vor allem auch, wenn ich nicht direkt bei ihr bin. Was ihr gut tut, was sie verunsichert, wie souverän sie eigentlich ist. Eine tolle Erfahrung, über die ich sehr dankbar bin. Die mir auch einmal die Augen geöffnet hat für Dinge, die sie einfach toll macht.

DasLiebespaarImKampf2

Hoffentlich zehren wir noch sehr lange davon. So lange, bis wir mit stolz geschwellter Brust und lockerer Leine – naja, ihr wisst…

Lasst es euch gut gehen.

Sie

0 Replies to “Needs a reboot oder der Hund, den ich so nie wollte”

  1. So viel Liebe in Deinen Worten!
    Ihr Beide geht Euren Weg, auch wenn er nicht immer einfach ist und mit Sicherheit wird es immer wieder Erfolge und Rückfälle geben, das geht doch jedem so! Ich finde, ihr seid ein tolles Team und wir freuen uns schon auf die nächste gemeinsame Runde. ?

  2. Danke für den virtuellen Kaffee und diesen genialen Clip! Ich habe herzlich gelacht! So sieht das bei mir und Bobby auch aus! Wir sind ja auch schon seit fast drei Jahren in der Hundeschule. Ein harter Kern von Unverbesserlichen ist ebenso lange da. Es kommen aber immer wieder Neue dazu. Letztens ist mir aufgefallen, dass wir eigentlich noch keine erkennbaren Fortschritte gemacht haben und nichts besser können als die Neuankömmlinge. Das absolute Chaosteam… aber wir haben Spaß dabei! Übrigens gehen wir auch fast nie ohne Schleppleine, trägt zur allgemeinen Entspannung bei. Und noch was: toll, dass du so mutig bist und diese Hundewanderung mitgemacht hast. So etwas meide ich auch eher, weil ich mit Bobby nicht unangenehm auffallen möchte. Wahrscheinlich traut man sich und seinem Hund einfach oft nicht genug zu und sieht nur das Negative. Ich hoffe, dass ihr noch lange von dieser tollen Erfahrung zehren könnt! Liebe Grüße von Andrea

    1. Schön, so etwas zu lesen. Gerade weil man doch häufig denkt, man ist mit seinem Thema allein. Und gleichzeitig überlegt, ob man überhaupt darüber schreibt. Umso schöner dann, wenn ein solcher Kommentar gleich noch einmal Mut macht. Liebe Grüße

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